Kaffee für das gute Gewissen

Wer in Frankreich bei „Artisans du Monde“ einkauft, bekommt Gutes fürs Geld und unterstützt gleichzeitig Kooperativen in der Dritten Welt  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Gute Produkte zu gerechten Preisen und dazu noch politisch korrekt – diese Kombination findet sich in Paris in der Rue Rochechouart, nicht weit von Montmartre. Der Laden von „Artisans du Monde“ ist mit seinen beinahe 21 Jahren der älteste seiner Art in Frankreich. Und mit seiner Produktpalette von Dritte-Welt-Büchern über Umweltpapier bis hin zu getrockneten Mangos aus Burkina Faso und der unvermeidlichen nicaraguanischen Kaffee- Dröhnung auch einer der größten.

900.000 Francs, gut eine Viertelmillion Mark Jahresumsatz hat das Geschäft 1994 mit seinem Konzept von gerechtem Handel erwirtschaftet. Wer bei „Artisans du Monde“ (Handarbeiter der Welt) einkauft, unterstützt damit Kooperativen in Lateinamerika, Asien und Afrika. Von dort kommen die Produkte ohne Zwischenhändler direkt in den Laden. Die Produzenten erhalten stabile, von der Spekulation mit Rohstoffen unberührte Preise. Die Verkäufer in Frankreich hingegen arbeiten fast ausnahmslos unentgeltlich.

Renée ist eine dieser ehrenamtlichen Dritte-Welt-Helferinnen. Einmal wöchentlich steht die weißhaarige Sechzigerin hinter der Computerkasse an der Rue Rochechouart. Vor ein paar Monaten erst hatte sie im Fernsehen von den „Artisans du Monde“ gehört – schon am nächsten Tag bot sie ihre Mitarbeit an. „Das ist eine gute Sache, und es hält mich auf Trab“, sagt die Rentnerin, die früher einen eigenen Laden für Kunsthandwerk hatte. Wenn sie ihren Kunden bei „Artisans du Monde“ eines der holzgeschnitzten Tabletts mit Intarsienarbeiten aus Indien vorführt, erwähnt Renée nicht nur das günstige Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern sie holt auch oft zu einem Vortrag über Nord–Süd-Verhältnisse aus.

Über 50 „Artisans du Monde“- Läden gibt es in Frankreich, fast jede Provinzstadt hat einen. Daneben finden sich die Produkte aus den Dritte-Welt-Kooperativen in den Weihnachtskatalogen der großen Hilfsorganisation C.C.F.D. (Katholisches Komitee gegen den Hunger und für die Entwicklung) und bei der auf Lateinamerika spezialisierten Organisatin „Aspal“.

Doch obwohl die Solidarität im Preis eingeschlossen ist, sind die Dritt-Welt-Produkte längst nicht immer teurer als im Supermarkt. Seit Januar ist das besonders deutlich beim Kaffee. Früher lag der bei den Dritt-Welt-Läden jahrelang über dem marktüblichen Niveau, dann stiegen die Kaffeepreise plötzlich überall an. Nur bei „Artisans du Monde“ blieben sie stabil. Seither ist die Zahl der Kunden, die nur noch Kaffee aus Kooperativen kauft, stetig gestiegen.

„Die Kunden gucken zuerst auf den Preis“, sagt Marie-Françoise Reneaud, die einzige Festangestellte im Laden an der Rue Rochechouart. Die Frage der Arbeitsbedingungen und der Löhne für die Produzenten interessiere die Leute weniger. Genau an jenem Punkt setzen die Mitarbeiter von „Artisans du Monde“ an. So erhält, wer bei ihnen Seife kauft, einen Beipackzettel über das Leben der Unberührbaren in Südindien, die sie hergestellt haben. Das ist seit den siebziger Jahren so, als die Organisation aus der Solidaritätsbewegung für Bangladesh entstand. Auf Anregung des französischen Armenpriesters Abbé Pierre beschlossen die Unterstützergruppen damals, nicht einfach Geld in das gerade eben gegründete arme Land zu schicken, sondern dortige Produkte zu vermarkten. Traditionell ist das Konsumentenbewußtsein in Frankreich weit weniger entwickelt als in vielen Nachbarländern. VerbraucherInnenboykotts oder andere Protestaktionen sind selten. Und die andernorts zahlreichen alternativen Konsumketten blieben in Frankreich klein. „Die Franzosen sind einfach konservativer“, erklärt der 24jährige Kriegsdienstverweigerer Jérôme, der seinen Zivildienst bei „Artisans du Monde“ ableistet.

Daß die Preise so günstig sind und dadurch die Läden so gut laufen, ist hauptsächlich der „Selbstausbeutung“ der Mitarbeiter geschuldet. Würden die Verkäufer entlohnt, wären die niedrigen Preise nicht mehr zu halten. Die Diskussion über die unbezahlte Arbeit beschäftigt die mehr als 2.000 ehrenamtlichen und die Handvoll festangestellter Mitarbeiter alle Jahre wieder. Die Verfechter „gerechter Löhne“ blieben bislang in der Minderheit. Ein weiterer Grund für die günstigen Preise der Ladenkette sind ihre kurzen Handelswege dank einer internationalen Vernetzung: „Artisans du Monde“ und ihre Importzentrale gehören zu der EFTA, der European Fair Trade Association.

Mit der neuen Stärke der Dritt- Welt-Läden in Frankreich sind die ersten Konkurrenzprobleme aufgetaucht. Wie in anderen Ländern soll demnächst auch in ganz normalen französischen Supermärkten Kaffee und Kakao angeboten werden, deren Produzenten gerecht entlohnt werden. Weil dieser Kaffee sich mit dem Namen „Transfair“ schmückt, dem alten Markenzeichen der Alternativen, gibt es gegenwärtig Streit.