Nie mehr mit staatlichen Stellen zusammen

■ Dschubal Kasahagi aus Adis Abeba, der bis zur Auflösung des „Italienisch-Eritreischen Solidaritätskomitees“ in dessen Vorstand saß, über Enttäuschungen und kleine Erfolge

taz: Herr Kasahagi, das „Italienisch-Eritreische Solidaritätskomitee“ existierte mehr als ein Jahrzehnt, als es in Äthiopien zwar eine Diktatur gab, die den Unabhängigkeitskampf der Eritreer brutal unterdrückte, aber keine allzu große Not. Als die Bevölkerung dann Hunger und Durst litt, löste sich die Vereinigung mit Sitz in Rom auf. Abstrus, oder?

Dschubal Kasahagi: Das scheint nur so zu sein. Das Komitee hatte zwar einen hochtrabenden Namen, war aber nur ein kleiner privater Zirkel – zumeist Leute aus der 68er-Bewegung. Sie gingen uns nach und nach verloren, weil sie berufstätig wurden und wegzogen. Insofern sind Gruppen wie unsere auch einen „Alterstod“ gestorben. Immerhin haben viele noch Kontakt miteinander, und wenn wir sie brauchen, sind die meisten für uns da. Allerdings lassen wir uns nie mehr auf eine „Kooperation“ mit staatlichen Stellen ein.

Wie verlief die denn früher?

Da bekamen wir von offiziellen Stellen auf Antrag Zuschüsse aus Entwicklungshilfefonds. Das lag daran, daß die staatlichen Stellen, einschließlich Botschaften und Konsulate, oft gar nicht wußten, wo Not herrschte und wie man die Versorgung organisierte.

Und warum habt ihr mit dieser Zusammenarbeit aufgehört?

Das war Ende der achtziger Jahre, als uns klar wurde, daß wir von den Politikern nur benutzt wurden, damit die ihr eigenes Süppchen kochen konnten. Einmal kamen wir dahinter, daß sie uns mit 30.000 Mark subventioniert hatten, während sie selbst mehr als drei Millionen in die eigene Tasche steckten. Unser guter Name galt als Bürgschaft für die Redlichkeit der Geldausgabe.

Und später?

Haben wir es auf eigene Faust versucht. Da kamen schon mal hunderttausend Mark zusammen. Aber dann blockierten uns die offiziellen Stellen in Rom. Wir wurden oft in Eritrea festgenommen und ausgewiesen, wobei nicht selten auch das Geld verschwand. Aber ich will das nicht als alleinigen Grund für den Niedergang solcher Ideen hinstellen.

Sondern?

Dazu hat auch die Verzettelung beigetragen. Es kam ja bald überall zu Kriegen und Notlagen, und wer da nicht auf den TV-trächtigen Trampelpfaden herumeiern wollte, mußte tausenderlei Kanäle auftun, Vertrauensleute suchen – ganz abgesehen von der Notwendigkeit, ab und zu nachzuprüfen, ob die Vorgaben noch stimmten und die Sachen auch ankamen. Da verästelten sich die Solidaritätskomitees schnell: Aus Gruppen wie unserer, die in besten Tagen gerade mal drei, vier Dutzend Mitglieder gezählt hatte, wurden acht, neun Grüppchen mit drei oder vier Leuten. Man hätte sich natürlich für ein, zwei wichtige Projekte entscheiden können. Aber irgendwie konnte man sich nicht darauf einigen, und schon war die Spaltung da.

Und wie steht's heute?

Heute gehen manche, so auch ich, den umgekehrten Weg: Statt aus Italien die Hilfe zu lenken, versuchen wir vor Ort, über Kontakte in Italien etwas zu organisieren. Manchmal gelingt es, aber die Enttäuschungen überwiegen. Interview: Werner Raith, Rom