„Da blieb die Seite einfach weiß“

■ Der prominente indonesische Journalist, Dichter und Essayist Goenawan Mohammad über die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in seinem Land

Im Juni vergangenen Jahres verboten die indonesischen Behörden drei einflußreiche Zeitschriften, darunter auch die von Goenawan gegründete „Tempo“. In den letzten drei Wochen hat die Regierung ihren Druck auf die Medien verschärft: Sie ließ Goenawan und zwölf andere Journalisten aus dem offiziellen Journalistenverband PWI ausschließen und mindestens fünf Mitglieder einer unabhängigen Journalistenallianz verhaften.

taz: Wie frei ist die Presse in Ihrem Land?

Goenawan Mohammad: Die Regierung und das Gesetz sagen, daß die indonesische Presse frei, verantwortungsvoll und gesund sei. Das ist eine sehr vage Definition. Das ist Fassade, hinter der die Zensur stattfindet. Wir können nur publizieren, wenn wir eine Lizenz haben. Um eine Lizenz zu bekommen, müssen wir etwa 24 Bedingungen erfüllen: Dazu gehören auch einige alberne Sachen wie die Vorschriften über eine bestimmte Länge und ein bestimmtes Gewicht der Publikation.

Voraussetzung ist auch, daß der Herausgeber ein Empfehlungsschreiben der offiziellen Journalistenvereinigung PWI haben muß. Als die Mitarbeiter von [der ebenfalls im Juni verbotenen Zeitschrift] DeTik eine neue Illustrierte machen wollten, übernahmen sie eine existierende Zeitschrift und veränderten das Format, so daß es DeTik sehr ähnlich sah. Der Informationsminister merkte das, wollte aber nicht mit einem neuen Verbot Unruhe stiften. Er befahl der PWI, das Empfehlungsschreiben zurückzuziehen. Und die mutigen DeTik- Leute verloren ihren Job zum zweiten Mal.

Warum wurden „Tempo“ und die anderen Zeitschriften verboten?

Ich glaube, der Casus belli war unser Bericht über den Ankauf der ehemals ostdeutschen Kriegsschiffe. Ihre Regierung wollte sie loswerden und war froh, daß unsere Regierung dafür bezahlen wollte. Wir haben ziemlich kritisch darüber berichtet. Zu kritisch vielleicht für [Technologieminister] Habibie [der das Geschäft durchgesetzt hatte]. Er ist ein mächtiger Mann und steht dem Präsidenten sehr nahe, möglicherweise hat er selbst Ambitionen auf das Amt des Staatschefs. Schließlich sagte der Präsident zu Habibie, warum schließt du Tempo nicht einfach, und das tat er dann.

Was geschah nach dem Verbot?

Wir durften nicht mehr veröffentlichen. Das Verbot selbst ist ungesetzlich, aber die Regierung kann immer einen Weg finden, illegale Dinge zu tun. Ich habe sie verklagt. Das Urteil wird am 3. Mai ergehen, zufälligerweise am internationalen Tag der Pressefreiheit. Ich habe nicht die Illusion, daß wir gewinnen können, in Indonesien gibt es keine unabhängige Gerichtsbarkeit. Wir werden unsere Druckerei und anderes verkaufen müssen. Tempo ist eine einzigartige Einrichtung, die Mehrheitsanteile gehören der Belegschaft.

Gibt es eine Pressezensur?

Im Prinzip gibt es keine Vorzensur. Die Regierung hat nicht die Mittel, alle Geschichten zu lesen, bevor sie veröffentlicht werden. Die Taktik der Regierung ist es, gegenüber der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, daß es keine Zensur gibt. Wenn die Presse etwas nicht publiziert, daß es dann ihre eigene Entscheidung ist. Das ist eine Lüge. Als etwa einmal eine Gruppe osttimoresischer Studenten zum Parlament ging, um dort ihre Beschwerde zu äußern, war das ganz sicher eine wichtige Nachricht. Da kamen zwei Militärs in mein Büro und baten mich, sie nicht zu veröffentlichen. Ich sagte, es ist zu spät, aber wenn Sie darauf bestehen, dann werde ich es tun. Also blieb die Seite weiß. Natürlich waren sie wütend, aber ich erklärte ihnen, daß ich nur ihrem Befehl gefolgt bin.

Welche Rolle spielen die Journalistenverbände?

Die alte Organisation PWI wurde von freigeistigen Journalisten zu Beginn der Unabhängigkeitsbewegung in den vierziger Jahren gegründet. Heute ist das ein sehr stark von der Regierung kontrollierter Verband. Sein Vorsitzender kann nur mit Zustimmung des Informationsministers gewählt werden. Als unsere Zeitschriften verboten wurden, veröffentlichte diese Organisation eine Erklärung, derzufolge man die Gründe für das Verbot verstehen müsse. Und natürlich sei es bedauerlich, daß einige Leute ihre Jobs verlieren und daß man an die Regierung appelliere, ihnen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das hat vielen jungen ReporterInnen ziemlich gereicht.

Deshalb hat sich eine Gruppe junger JournalistInnen (nicht nur der verbotenen Publikationen) zusammengeschlossen und die Alliance for Independent Journalists (AIJ) gegründet, ein oder zwei Monate nach der Schließung der Zeitschriften. Sie wird von etwa 300 Reportern verschiedener Publikationen auf klandestiner Basis unterstützt. Nur eine kleine Zahl wagt es, offen die Mitgliedschaft zuzugeben. AIJ ist im Internationalen Journalistenverband in Brüssel angeschlossen. Vor einigen Tagen hat die Polizei das Büro dieses neuen Journalistenverbandes durchsucht und zwei junge ReporterInnen verhaftet, die zufällig ehemalige Mitarbeiter von Tempo waren. Ihr Leben ist jetzt in Gefahr. Interview: Sven Hansen