■ Freiheit für Ost-Spione?
: Spionage einstellen wäre eine Lösung

Die beiden haben mehr gemeinsam, als landläufig bekannt ist. Beide stammen sie aus dem schwäbischen Hechingen, beider Väter waren Ärzte, beide waren sie Chefs von Geheimdiensten. Markus Wolf leitete über Jahrzehnte in der DDR die HauptverwaltungA, Klaus Kinkel über Jahre den Bundesnachrichtendienst in Pullach. Beide nutzen ähnliche Methoden. Beide sind auf ihre Art auch gescheitert. Wolfs Geheimdienst konnte, so effizient er auch gewesen sein mag, nicht helfen, den Untergang der DDR zu verhindern. Und Kinkel mußte nach der Wende feststellen, daß seine frühere Behörde von den Mitarbeitern der HVA nahezu vollständig durchsetzt war. Wolf wurde aber im Gegensatz zu Kinkel für seine Tätigkeit als HVA-Leiter zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Ob dies zu Recht erfolgte, ist noch nicht entschieden – das Bundesverfassungsgericht wird wohl noch im April entscheiden, ob zwischen guter und böser Spionage unterschieden werden kann.

Es spricht einiges dafür, daß das Karlsruher Gericht der Einteilung in gute und böse Geheimdiensttätigkeit so nicht folgen wird. Unabhängig davon, scheint es, werden aber die Mitarbeiter der HVA auf der Strecke bleiben, die als West-Bürger für den Geheimdienst tätig wurden. Die einfache Juristenlogik schreibt vor, sie hätten sich schuldig gemacht, weil sie als Bürger der Bundesrepublik die Strafbarkeit von Spionage kannten. Formal mag die Argumentation korrekt sein – absurd wäre es dennoch, wenn nun die Auftraggeber straffrei gestellt würden, die von ihnen angeleiteten Spione aber weiterhin für Jahre hinter Gitter sollten. Das war den Politikern bei den Einheitsverhandlungen 1990 bereits aufgegangen, als sie im Zuge des Einigungsvertrages über eine begrenzte Amnestie für Spionagedelikte nachdachten. Daß es zu dieser nicht kam, lag am damals bereits laufenden Wahlkampf. Parteiübergreifend kam die Befürchtung auf, ein solcher Schritt könnte als generelle Stasi-Amnestie mißverstanden werden.

Ein anderer BND-Präsident, Heribert Hellenbroich, hat sinngemäß den Spruch geprägt, „wenn Sie den Wolf in den Knast stecken, dann müssen Sie auch mich verurteilen“. Das sollte nicht nur für die Hauptamtlichen der HVA in der DDR, sondern auch für deren Mitarbeiter gelten. Ansonsten sollte die Zeit weniger für Verurteilung einer überlebten Spionage als vielmehr für deren generelle Abschaffung aufgewendet werden. Wolfgang Gast