Berliner SPD sperrt Ex-SED-Mann aus

Prominente Fürsprecher halfen Manfred Uschner, ehemaliger Referent des SED-Politbüromitglieds Hermann Axen, nicht: Der Landesvorstand widerrief seine Parteiaufnahme  ■ Aus Berlin Severin Weiland

Der Ausgestoßene reagierte wie ein enttäuschter Liebhaber. „Ich bin nicht Mitglied der SPD geworden. Was ist schon dabei“, tönte es gestern auf Manfred Uschners Anrufbeantworter. Der frühere SED-Politbüroreferent hatte allen Grund, den Liebesentzug bitter zu beklagen.

Mit überraschend deutlicher Mehrheit hatte am Montag abend der Landesvorstand der Berliner SPD die Aufnahme Uschners durch eine Abteilung des linken Kreuzberger Kreisverbandes schlichtweg für „nichtig“ erklärt. Auch die vor wenigen Wochen erfolgte Anmeldung eines Zweitwohnsitzes in dem Westbezirk half dem Ostberliner nicht weiter. Das Parteigremium entschied streng formal und urteilte, daß Uschners Lebensmittelpunkt und Hauptwohnsitz nach wie vor „eindeutig“ in Treptow liege.

Zugleich scheiterte der 58jährige vor dem Landesvorstand mit einem Widerspruch gegen die Ablehnung durch den Ostberliner Kreisverband in Treptow. In Windeseile wurden damit nicht nur alle Hoffnungen Uschners auf ein zweites politisches Comeback zunichte gemacht, sondern der Konflikt auch dorthin wieder zurückgeschoben, wo er vor nunmehr eineinhalb Jahren entbrannt war. Im August 1993 hatte Uschner versucht, einer Abteilung des Kreisverbandes in Treptow beizutreten – erfolglos. Seinen Einspruch ließ knapp ein Jahr darauf auch der Kreisvorstand nicht gelten. Die damalige Begründung für die Ablehnung wurde gestern unkommentiert in einer Presseerklärung des Landesvorstandes zugrundegelegt: Uschners Wandlung „von einer staatstragenden Person im Regime der DDR zu einem verläßlichen Demokraten“ sei bisher „noch nicht glaubwürdig nachgewiesen“.

Das Angebot, er könne zunächst als Hospitant in Treptow weiterarbeiten, mußte Uschner wie die anmaßende Strafe eines Schulmeisters vorkommen. Entsprechend harsch reagierte er. Zu einer „zweit- oder drittklassigen Mitarbeit unterhalb einer echten Mitgliedschaft“ sei er nicht bereit: „Ich laufe der SPD nicht hinterher wie ein lechzender Hund.“

Daß es weniger um ein SED- Mitglied als um die Person Uschner ging, versuchte die SPD seit Wochen zu verbreiten. Von 24.500 Mitgliedern, so ließ die Landesgeschäftsstelle mit schöner Regelmäßigkeit verlauten, seien ja zwischen 300 und 350 in der SED gewesen. Doch keiner ist darunter, der auf eine Karriere wie Uschner innerhalb der früheren Einheitspartei zurückblicken kann: 1957 Mitarbeiter im Zentralkomitee, von 1974 bis in die späten achtziger Jahre Referent des SED-Politbüromitglieds Hermann Axen, später wegen Sozialdemokratismus in Ungnade gefallen und mit einem Institutsposten abgespeist. Kurz nach der Wende kehrte er der damaligen SED/PDS den Rücken.

Bei seinem Drang in die SPD half Uschner auch nicht die Schützenhilfe tonangebender Sozialdemokraten wie des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Wolfgang Thierse und des früheren Ostpolitikers Egon Bahr. Von Anbeginn stieß die Fürsprache der SPD-Prominenz vor allem bei vielen Ostberliner Mitgliedern auf Verärgerung. Allen voran wetterte die Mitbegründerin der Ost-SPD, Angelika Barbe, gegen Uschners Aufnahme. Dessen Beteuerungen, schon immer im Herzen ein Sozialdemokrat gewesen zu sein und seit Mitte der 80er Jahre auf den Sturz der DDR-Führung hingearbeitet zu haben, wurden mit Skespis, ja Spott begleitet. Umgekehrt ließ Uschner an den ostdeutschen SPD-Veteranen Barbe und Stephan Hilsberg kein gutes Haar. Wiederholt geißelte er deren „moralischen Rigorismus“.

Uschner hat nicht aufgegeben. Das ließ er gestern durchblicken: „Ich betrachte mich weiterhin als Sozialdemokrat und werde mich auch künftig so verhalten.“ Der Satz klingt auch wie eine Warnung.