Kritik macht lernfähig

■ Nach Schelte am PDS-Papier entdeckt ehemaliger SPD-Jugendsenator Krüger die CDU als Reformpartei

Wenn der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Jugendsenator Thomas Krüger die SPD für eine Zusammenarbeit mit der PDS öffnen will und dieser dann mit einem PDS-Mann zusammensitzt, muß es spannend werden. Als die Jungsozialisten (Jusos) am Samstag zu einer Diskussionsrunde am Ende ihres ersten Mitgliederforums ins Berliner Congress Centrum luden, überraschte Krüger dann das nicht einmal 100 Köpfe zählende Jungpublikum tatsächlich: allerdings nicht, weil er die Anwesenheit des stellvertretenden Parteivorsitzenden der PDS, Wolfgang Gehrke, nutzte, um die Bedingungen und den Inhalt einer Zusammenarbeit zumindest theoretisch auszuhandeln. Krüger sorgte vielmehr für Erstaunen mit seiner Erkenntnis, „heute mit der CDU mehr Reformpolitik durchsetzen zu können als mit der PDS“.

Eine Woche nach der taz-Veröffentlichung des gemeinsam mit Kreuzbergs Bürgermeister Peter Strieder verfaßten Papiers „Über den offensiven Umgang der SPD mit der PDS“ scheint der Vollbartträger aufgrund lautstarker Proteste von populistischen CDU-Politikern und der eigenen Parteispitze wegzuknicken. Krüger verstrickte sich auf dem Juso-Forum gar in Widersprüche.

So forderte er einerseits, eine Auseinandersetzung mit der PDS müsse „ein offener Prozeß“ sein, andererseits will Krüger aber vorher wissen, was am Ende herauskommt: Die PDS brauche auf dem Weg zur Reformpartei noch zehn bis fünfzehn Jahre, und vorher falle sie als Partner für eine Tolerierung oder Koalition aus.

Im Gegensatz zu Krüger gelang es den anderen drei Diskutanten, PDS-Gehrke, dem Bündnisgrünen Willi Brüggen und dem Landtagsabgeordneten der SPD in Mecklenburg-Vorpommern, Siegfried Friese, weitgehend stringent zu argumentieren. Nach Gehrkes Redebeiträgen beschlich die Zuhörer allerdings das Gefühl, es gehe ohnehin um eine Phantomdebatte. Die PDS sei nämlich gar nicht erpicht auf eine Zusammenarbeit mit der SPD, sprach der ehemalige DKP-Reformer, solange diese Verschlechterungen des Grundgesetzes in der Asylpolitik zustimme und angeblich über Kampagnen gegen den Mißbrauch von Sozialleistungen nachdenke. Dann betonte er, daß es in der Berliner SPD nicht einmal eine gesicherte Mehrheit für ein rot-grünes Bündnis gebe.

Das Anliegen des Bündnisgrünen Brüggen, mit einem von der PDS tolerierten Rot-Grün-Senat die Tiergartentunnel zu kippen und aus der Atompolitik auszusteigen, war sicher gut gemeint, schien aber angesichts Gehrkes Aussagen und Krügers Entdeckung von der CDU als die besseren Reformer reichlich hilflos.

Der SPDler aus Mecklenburg- Vorpommern, Friese, machte wiederum aus seiner Erleichterung darüber kein Geheimnis, daß sich die PDS an der Schweriner Landesregierung im vergangenen Jahr nicht beteiligen wollte. Im anderen Fall „hätte es die SPD zerrissen“. Dirk Wildt