Berliner CDU macht sich auf die roten Socken

■ SPD-Politiker eröffnen Berliner Wahlkampf mit einem Strategiepapier zur PDS

Berlin (taz) – Wenn es um das Verhältnis der SPD zur PDS geht, werden bei der Berliner CDU schlummernde Kräfte freigesetzt. Kaum hatte die taz am Montag ein Strategiepapier zweier SPD-Politiker zur PDS publiziert, machten sich die Christdemokraten auf die roten Socken. „Interne SPD-Pläne zur Zusammenarbeit mit der PDS“ wurden in dem Papier ausgemacht und die Botschaft von der nahenden Bedrohung flugs unters Volk gebracht. Gestern nachmittag agitierten der Generalsekretär Dieter Ernst und der parlamentarische Geschäftsführer Volker Liepelt die Passanten auf dem Kurfürstendamm, als stünde der Stadt ein Staatsstreich bevor.

Das Papier, für das der ehemalige Berliner Jugendsenator und heutige SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Krüger und der Kreuzberger Bezirksbürgermeister Peter Strieder verantwortlich zeichnen, war dem christdemokratischen Koalitionspartner ein willkommener Anlaß, den Wahlkampf früher als erwartet zu eröffnen.

Dabei hatten die beiden SPD- Politiker vom linken Flügel der Partei wenig mehr gefordert, als ohnehin in den Bezirksparlamenten der Hauptstadt gang und gäbe ist: Unter bestimmten Bedingungen mit der PDS zu reden.

Die heiklen Worte Tolerierung und Koalition tauchen in ihrem Thesenpapier gar nicht auf. Für den Adrenalinschub bei der CDU und eigenen Parteimitgliedern sorgte allein schon eine schwammige Passage, in der die SPD zu einem forcierten politischen Diskurs mit der PDS aufgefordert wird. Man müsse schließlich dort die Beteiligung der PDS an „politischen Entscheidungsprozessen“ akzeptieren und zu einer „normalen Zusammenarbeit“ kommen, wo die „etablierte Partei Ostdeutschlands“ durch ein Mandat legitimiert sei.

Während der gewiefte CDU- Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky erwartungsgemäß den Vorstoß zur Koalitionsbelastung hochredete, ließen sich auch führende Sozialdemokraten von der Aufregung anstecken. Die ansonsten zurückhaltende SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer griff die Autoren scharf an, sprach von „akademischen Diskussionen“, die der Partei keinen Millimeter nützten. Jeder „durchschnittlich begabte Politiker“ wisse doch, welchen Nutzen die CDU aus solchen Papieren ziehe. SPD-Fraktionschef Klaus Böger – ein Mann des rechten Flügels – warf seinen Genossen gar „parteischädigendes Verhalten“ vor.

Das Papier brach die mühsam zusammengehaltene parteiinterne Selbstbeherrschung auf. Noch im Dezember hatte ein Sonderparteitag der SPD Koalitionen und Tolerierungen mit der PDS ausgeschlossen. Unbeantwortet blieb dabei die Frage, wie ohne die PDS nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus ein rot-grünes Reformbündnis zustande kommen soll. Während die CDU die Entscheidung am 22. Oktober vornehmlich in den Westbezirken sucht, muß die SPD der PDS im Osten kräftig Wähler abringen. Alle Umfragen signalisieren: Ohne Zugewinne der Bündnisgrünen und der SPD in Ostberlin muß ein rot-grüner Senat letzlich auf die PDS zurückgreifen.

Auf dieses Dilemma geben auch Krüger und Strieder keine Antwort. Statt dessen listen sie einen Forderungskatalog an die SED- Nachfolger auf: Die PDS müsse sich zum Grundgesetz bekennen, die Gründung der SED als „Zwangsvereinigung“ benennen und der „unkritischen Rezeption“ der DDR-Geschichte eine Absage erteilen. Forderungen, die in ähnlichem Duktus der SPD-Landesvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff, im letzten Jahr der PDS gegenüber gestellt hat, um ihre Koalitionsfähigkeit zu prüfen. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich Krügers und Strieders Thesen als ein Popanz, wie er allein die CDU erfreut. Severin Weiland