Näherungsversuche

■ Heute verhandeln die Ministerpräsidenten der Länder über die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

Als vor sechs Wochen Edmund Stoiber und Kurt Biedenkopf vorschlugen, die ARD mittels Einstellung ihres ersten Programms gesundzuschrumpfen, da erreichten sie zunächst das Gegenteil einer produktiven Diskussion um eine Senderreform: So lautstark sie in den Wald hineingerufen hatten, schallte es zurück, ARD-Unterstützerkreise sprossen allerorten wie Pilze aus dem Boden, und die medienpolitisch zerstrittene SPD fand zu einer einheitlichen Linie – jedenfalls zeitweilig.

Doch die Schaukämpfe waren auch das Präludium zu ganz ernsthaften Verhandlungen, nämlich um den künftigen Rundfunkstaatsvertrag, auf den sich alle Bundesländer nolens volens einigen müssen – bis 1. Januar 1997 spätestens. Und so begannen, kaum war das Wortgeklingel – Kohls Einmischung und Bundestagsdebatte inklusive – abgeklungen, schon auf beiden Seiten die Annäherungsversuche. Heute treffen sich in Bonn die Ministerpräsidenten der Länder, und die Wortführer beider Seiten nutzten die vergangene Woche, um schon mal Kompromißbereitschaft zu signalisieren.

Gebührenschraube als Daumenschraube

Stoiber gab der Welt am Sonntag ein Interview, in dem der Frager erst einmal mit einem Bückling bedauerte, daß die Unionsvorschläge „als Anschlag auf die Pressefreiheit diffamiert“ worden seien. Dann gab der bayerische Ministerpräsident zu, daß die Politiker die Gebührenschraube kaum als Daumenschraube gegen die ARD einsetzen können, sondern „weitgehend das Votum einer unabhängigen Fachkommission zu befolgen haben“. Sein Autorenkollege Biedenkopf brachte derweil mit einem sage und schreibe dreieinhalb Druckseiten langen Leserbrief im epd-Fachdienst Kirche und Rundfunk einen neuen Vorschlag ins Gespräch: Der künftige Staatsvertrag könne ja ruhig wieder ein ARD-Gemeinschaftsprogramm vorsehen – allerdings auf freiwilliger Basis. Welchen Pferdefuß eine solche Kannregelung hätte, haben Biedenkopf und Stoiber mit einer anderen, nachgeschobenen Forderung anklingen lassen: Wenn die ARD-Anstalten im April ihren gewünschten Etat bei der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) anmelden, dann sollten sie das, bitte schön, jeweils einzeln mit ihren Berechnungen tun.

Die Sachsen als Trittbrettfahrer?

Dann, so hofft die Union, werde schon deutlich, welche Anstalten die Gebührenzahler am teuersten kommen. Der Druck zur Zusammenlegung von Anstalten und zur Abschaffung des traditionellen Finanzausgleichs würde wachsen, von dem bislang der SFB, Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk mit insgesamt 180 Millionen Mark jährlich profitieren.

Und einmal angenommen, der Mitteldeutsche Rundfunk würde sich in ein paar Jahren aus dem nunmehr freiwillig gewordenen ersten Programm verabschieden: dann könnte er ja seinen Gebührenzahlern bei der darauffolgenden Anmeldung des Finanzbedarfs mit einer Halbierung der Fernsehgebühr winken – wäre das nichts? Die Sachsen, Thüringer und Sachsen-Anhaltiner könnten ja dann weiter als Trittbrettfahrer das von den restlichen Gebührenzahlern finanzierte Erste einschalten. Oder dieses würde, weil solcherlei Ungleichheit niemand mehr will, ohnehin eingestellt. Womit wir wieder bei der bekannten Schlußfolgerung des Stoiber-Biedenkopf-Papiers angelangt wären.

Nun haben die SPD-Länder die geschickt gelegte Falle entdeckt und verweigern sich einer Regionalisierung der Rundfunkgebühren. Ihr Argument in einem gemeinsamen Positionspapier: Das wäre ein „Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“. Doch auch die SPD-Länder wollen, mit der ehemaligen Finanzministerin Heide Simonis an der Spitze der Bewegung für Rationalisierung, daß der Druck auf ARD und ZDF, mehr einzusparen als bislang vorgesehen, nicht frühzeitig nachläßt. Ihr Motto: Gebührenerhöhung nur als letztes Mittel, im Rahmen der Inflationsrate und mit dem Ziel, ihnen auch noch Geld für Investitionen in neue Techniken und Märkte zu lassen.

Daß bei den Anstalten auch für die ARD-Freunde in der SPD noch Sparreserven schlummern, hat gerade in einem Spiegel-Interview Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, offen vorgerechnet. 40 Millionen Mark will er einsparen, durch einen Senderverbund im Südwesten, mit gemeinsamer Produktion, Technik, Verwaltung und Vermarktung. Spätere Fusion („in fünf bis sieben Jahren“) nicht ausgeschlossen: nicht nur Süddeutscher Rundfunk und Südwestfunk sollen dabeisein und den Saarländischen Rundfunk huckepack nehmen, sondern auch der Hessische Rundfunk – sehr zum Mißvergnügen der ortsansässigen Frankfurter Rundschau, die Beck prompt vorwarf, die SPD- Position zu schwächen.

Weg mit dem Finanzausgleich

Ganz sicher tut er das mit seinem zweiten Vorschlag: den Finanzausgleich für den Saarländischen Rundfunk durch eine 40 Pfennige höhere Rundfunkgebühr im ganzen Südwesten zu ersetzen. Denn das wäre Wasser auf die Mühlen der Union mit ihrer regional differenzierten Gebühr.

Beck will offenbar als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder den Vermittler spielen und nimmt dabei auch in Kauf, daß es dann ein drittes Programm weniger geben würde. Die Frage ist, was er von den Unionsländern im Gegenzug dafür bekommt. Die „freiwillige“ Teilnahme aller am ersten Programm, wie sie Biedenkopf jetzt vorschlägt, kann es wohl nicht gewesen sein. Dann würde die Austrittsdrohung Unzufriedener in Zukunft als ständiges Damoklesschwert über der ARD hängen. Michael Rediske