„Man kürzt, um zu verlängern“

Zentralstelle der Kriegsdienstverweigerer beklagt Benachteiligungen für Zivildienstleistende als Folge der Verkürzung der Wehrdienstzeit von zwölf auf zehn Monate  ■ Aus Hannover Hans-Hermann Kotte

Die weitere Verkürzung des Wehrdienstes ab 1. Januar 1996, die derzeit von der Bundesregierung vorbereitet wird, bringt zusätzliche Verschlechterungen für Zivildienstleistende. Darauf wies am Samstag in Hannover die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer hin. Sowohl der Grundwehrdienst beim Bund (derzeit 12 Monate) als auch der Zivildienst (derzeit 15 Monate) sollen um zwei Monate verkürzt werden. Wie der Vorsitzende der Zentralstelle, Ulrich Finckh, erläuterte, bedeute dies, daß Zivildienstleistende künftig 30 Prozent länger dienen müssen als die Rekruten. Zur Zeit seien es dagegen 25 Prozent. Finckh: „Man kürzt, um zu verlängern.“ Auch die Zivildienstleistenden im Ausland und in den Entwicklungsdiensten würden schlechter gestellt: In der Entwicklunghilfe wird statt 100 künftig 140 Prozent länger gedient, beim Auslandsdienst sind es statt 41 künftig 50 Prozent mehr.

Obwohl Artikel 12a des Grundgesetzes eine gleiche Länge von Grundwehrdienst und Zivildienst vorschreibt, werden Zivildienstleistende benachteiligt, seit es den Ersatzdienst gibt. Begründung: Reserveübungen und angeblich längere Wochendienstzeiten der Soldaten. Dazu merkt die Zentralstelle KDV an, daß Reserveübungen beim Bund heutzutage „nur noch nach Vereinbarung stattfinden, also praktisch freiwillig sind“. Außerdem seien Reserveübungen nach dem neuen Reservistenkonzept nur noch innerhalb einer Vierjahresfrist nach Entlassung aus der Armee vorgesehen.

Ungerechtigkeiten gibt es auch bei der bisherigen statistischen Erfassung der Wochendienstzeiten: Hier wurden bei den Soldaten auch Zeiten für das Aufstehen am Morgen, für Waschen, Stubenreinigen und Mahlzeiten angerechnet. Beim Zivildienst hingegen galt nur die echte Arbeitszeit, persönliche Tätigkeiten wurden nicht berücksichtigt.

Die 1994 von der Hardthöhe eingeführte neue Tauglichkeitsstufe T 7 wird von der Zentralstelle KDV ebenfalls scharf kritisiert: Diese Manipulation bedeute eine weitere Diskriminierung für Zivildienstleistende. Etwa 30.000 eingeschränkt Wehrdienstfähige würden durch T 7 zusätzlich gewonnen, von denen voraussichtlich rund 6.000 Verweigerer sein dürften. Während aber der Zivildienst bereits 8.000 Plätze für T 7-Taugliche bereitzustellen suche, wolle die Bundeswehr zunächst nur 1.000 bis 1.500 Plätze bereitstellen.

Ein Zuwachs an Wehrungerechtigkeit, die von der Zentralstelle KDV an der Statistik des Jahres 1994 folgendermaßen festgemacht wurde. Im Jahresschnitt seien 127.000 Zivis im Dienst gewesen, mit der Höchstzahl von 146.000 im September. Dies bedeute, daß zeitweilig mehr Zivildienstleistende als wehrpflichtige Soldaten gedient hätten: „Bei nur 20 bis 25 Prozent Anteil der Kriegsdienstverweigerer am Geburtsjahrgang ist das ein deutlicher Beweis grober Ungleichbehandlung und stellt die Wehrpflicht, zumindest aber die Wehrgerechtigkeit in Frage.“

Zu Verwirrung bei den Wehrpflichtigen hat laut Zentralstelle KDV die 1994 eingeführte Regelung der Altersgrenze für Wehr- und Zivildienst geführt. Viele Betroffene wissen nicht, ob diese für sie bei 25, 28 oder 32 Jahren liegt. Dabei ist die Frage der Zurückstellung entscheidend. Während die Bundeswehr das neue Gesetz so interpretiert, daß jede Zurückstellung zu einer Ausdehnung der Altersgrenze von 25 auf 28 Jahre führt, sehen dies die Verwaltungsgerichte unterschiedlich. Das Bundesverwaltungsgericht wird dazu am 31. März eine grundlegende Entscheidung fällen.