Zweifelhaft

■ betr.: „Auf Eis gelegter Kinder wunsch“, taz vom 27. 2. 95

Französische Forscher meinen also, Embryonen täte der Stillstand aller Vitalprozesse im Kältebad nicht gut? Es wäre nicht das erste Mal, daß eine wissenschaftliche Studie zweifelhaft ist und von gegenläufigen Befunden alsbald in Frage gestellt wird.

Daß tiefgekühlte Mäuseembryonen durch ihren künstlichen „Winterschlaf“ geschädigt sein sollten, ist schwer vorstellbar; angesichts der sechs Millionen Rinder, die allein der Bundesrepublik jährlich mit kryokonserivertem Samen „produziert“ werden, verfügen wir prinzipiell über reiche Erfahrung mit der „Pause vom Leben“ im flüssigen Stickstoff. Die Kältebiologie eröffnet uns faszinierende Möglichkeiten, beispielsweise in Form der tiefgekühlten Blutzellen aus der Nabelschnur. Ich fürchte, die französische Studie könnte, wenn sie nicht kritisch geprüft wird, auch da einen Rückschlag für hoffnungsvolle, ethisch vertretbare Entwicklungen bedeuten. Ich jedenfalls baue auf Zellreserven im Wartestand, wie ich sie in meinem Buch „Dornröschenschlaf“ beschrieben habe.

Im übrigen wäre es falsch, die französischen Befunde als Argumentationshilfe zu mißbrauchen: Wer bestimmte Anwendungen der Kältemedizin wegen moralischer Bedenken ablehnt, sollte auch auf ethische Argumente setzen; jede Schützenhilfe in Form vermeintlicher Sachargumente, die ihrerseits in weiteren Studien kritisch geprüft werden müssen, ist problematisch. Über Wert und Unwert der französischen Studie ist jedenfalls das letzte Wort noch nicht gesprochen. Klaus Tschirner, Kelkheim