Kein Platz im Kindergarten bis 1999

Jugend- und Finanzminister der Länder beschließen, daß der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz erst 1999 verwirklicht werden soll / Ministerin Nolte wirft SPD „Zickzackkurs“ vor  ■ Von Karin Flothmann

Berlin (taz) – Zeter und Mordio in Bonn. Bundesfrauenministerin Claudia Nolte (CDU) ist zutiefst enttäuscht und beschimpft die SPD. Regierungssprecher Dieter Vogel appelliert an die Länder und verkündet, er vertraue darauf, daß sie sich gesetzestreu verhielten. Anlaß für die Aufregung: Nach einem Beschluß der Jugend- und Finanzminister der Länder von Donnerstag abend soll der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz erst ab 1999 gelten.

Der Rechtsanspruch für drei- bis sechsjährige Kinder war 1992 als flankierende Maßnahme zur Neuregelung des Abtreibungsrechts beschlossen worden. Ziel aller Bemühungen war damals eine kinderfreundlichere Gesellschaft. Um diese zu ermöglichen und Frauen einen Anreiz zum Gebären ihrer Kinder zu geben, wurde der Rechtsanspruch gesetzlich verankert. Er sollte zum 1. Januar 1996 Wirklichkeit werden.

Nach dem Beschluß der Jugend- und FinanzministerInnen soll er nun erst zum 1. August 1999 vollständig umgesetzt werden. Dieser Beschluß sei vor allem im Hinblick auf die Finanznöte von Ländern und Gemeinden zustande gekommen, erklärte die saarländische Sozialministerin Marianne Granz. Der 1. August ist Stichtag. Alle Kinder, die bis zu diesem Datum drei Jahre alt sind, haben Anspruch auf einen Platz. Das Verhandlungsergebnis muß nach Angaben des Sozialministeriums Saar nun noch von den Ministerpräsidenten der Länder abgesegnet werden. Eine Novelle des Kinder- und Jugendhilfegesetzes solle dann per Bundesratsinitiative angestoßen werden.

Städte, Kommunen und Länder hatten schon 1992 deutlich zu verstehen gegeben, daß sie sich nicht in der Lage sehen, den Rechtsanspruch bis 1996 zu realisieren. Investitionskosten in Höhe von 20 Milliarden Mark und weitere vier Milliarden jährlich würde sie die Umsetzung kosten.

Selbst Noltes Vorgängerin Angela Merkel (CDU), hatte 1993 eingeräumt, sie rechne mit einer zeitlichen Verzögerung. Eine Sprecherin ihres Ministeriums erklärte ein Jahr später: „Für uns bedeutet Verzögerung, daß man an dem Ziel festhält, einen Rechtsanspruch für einen Tag X zu schaffen – wann das ist, ist uns egal.“

Diese Einstellung scheint sich im Ministerium wieder geändert zu haben. Nolte wirft den Ländern, die den Rechtsanspruch im Bundesrat einhellig befürwortet hatten, einen „Zickzackkurs“ vor. Es sei vor allem die SPD gewesen, die sich bei der Neuregelung für das Datum 1. 1. 1996 eingesetzt habe. Mit einer Verschiebung des Rechtsanspruchs würde sie Abschied von einem selbstgesteckten Ziel nehmen. Die familienpolitische Sprecherin der Bonner Bündnisgrünen, Irmingard Schewe-Gerigke, sieht das anders. Als ehemalige Kommunalpolitikerin hält sie die Umsetzung des Rechtsanspruchs bis 1996 für illusorisch. Ihre Forderung: Wenn es um die Finanzierung geht, müsse auch der Bund in die Verantwortung genommen werden.