Design bestimmt Bewußtsein

■ Helmut Jahns schmales Glashaus am Adenauerplatz spielt mit den Symbolen des Films, der "Virtuality" und der Reklame

Wohl kaum ein Haus in Berlin ist mehr ein Spiegelbild des Künstlichen, ja Artifiziellen als das von Helmut Jahn am Charlottenburger Adenauerplatz Ecke Kurfürstendamm. Unbewohnbar, schlank wie eine Gerte und ganz verglast, cineastisch überhöht mit einem Signalturm, einer leuchtend grellen Videowand und Innenräumen wie aus „Strange Connection“ klebt es an der Brandmauer des benachbarten steinernen Berliner Mietshauses.

Als es vor wenigen Wochen mit einer Zukunftsmöbelausstellung eingeweiht wurde, öffnete sich die Eingangstür automatisch. Der Weg führte zu keiner Treppe, sondern in einen edelmetallic ausgestatten Fahrstuhl, der den Besucher sanft nach oben katapultierte. Und in der neuen Designerwelt empfingen einen schöne Frauen, die alle lächelten, als hätten sie bereits Filmverträge in der Tasche.

Die Künstlichkeit gehört zum Charakter des 10 Millionen Mark teuren Gebäudes. Das siebengeschossige Bürohaus steht auf dem knappsten Grundstück der westlichen City: gerade einmal zwei Meter siebzig schmal. Die 3.500 Quadratmeter Bürofläche brachte der Chicagoer Architekt hinter dem gläsernen Vorhang unter, indem er diesen entlang der Lewishamstraße zwanzig Meter aufzog.

Als sollte eine Leinwand aufgezogen werden, spannte Jahn die transparente Fassade über einen dünnen Stahlrahmen, der das zerbrechliche, schnell gefertige Wesen des Hauses noch steigert. Betritt man das Innere, geht durch das verspiegelte Foyer in den polierten Science-fiction-Fahrstuhl und kommt in die langen schmalen Büroräume, glaubt man sich auf einer Empore, unter der das mobile Stadtleben wie im Kino vorbeirauscht.

In der Tat sollte das Haus schon immer mehr scheinen als nur sein. Die Euwo, Eigentümer des schmalen Grundstücks vor der Brandwand – auf der Rolf Edens Nachtclubgirls jahrelang auf einer Riesenreklametafel tanzten – wollte dort ein bauliches Großstadtereignis: wie in New York, Tokio oder London.

Ein internationaler Wettbewerb wurde in den achtziger Jahren ausgelobt, den die irakische Architektin Zaha Hadid gewann. Doch die Euwo bootete die Hadid aus. 1989 setzte sie deren gebogene Glaswand wegen technischer „Undurchführbarkeit“ ab und vergab den Auftrag an den Chicagoer Superman, der mit Hochhäusern und Geschäftsbauten aus dem Katalog der Baugeschichte mittlerweile (und manchmal recht zweifelhaft) Furore machte.

Bei dem Dekorationsstück für die sich selbst ausstellende Ku'damm-Gesellschaft hat Jahn natürlich auch abgekupfert – respektive „zitiert“. Erich Mendelsohns reklamemächtige Neon-Bauten der 20er Jahre standen hier Pate. Aus Glas und mit Licht inszeniert, bildeten sie Symbole für den sogenannten Augenblick, die Modernität und die Schnelligkeit. Die Themen Licht, Werbung und Illusion spielt Jahn aber noch weiter, indem er dem Haus eine 17 mal 3 Meter große Videowand verpaßte, die ans Obergeschoß geheftet wurde. Auf ihr werden Werbespots und Filmausschnitte gezeigt, die eine Computerzentrale steuert. Die virtuelle Realität zieht dann in die schon künstliche Architektur mit ein. Rolf Lautenschläger