■ Ein rasend erfolgloser Pilotversuch der Polizei
: Matschiges Radarauge

Kempten (taz) – „Radarhäuschen zu Gartenlauben“, witzeln die AutofahrerInnen im Allgäu. Denn was als bayerischer Modellversuch gegen Raser bundesweit Furore machen sollte, entpuppte sich als Fehlschlag auf der ganzen Linie. Entlang der sogenannten „Todesstrecke“, der Bundesstraße B 12 zwischen Kempten und Buchloe, wurden im Sommer 1992 vier stationäre Radarhäuschen gebaut. Mit eigenen Dieselaggregaten sollten sie stromunabhängig arbeiten und von den Schnellfahrern gestochen scharfe Bilder blitzen.

Doch aus der Modellanlage wurde ein Pilotflop, der das Polizeipräsidium Schwaben zum Gespött werden ließ. Weil etwa die Alarmanlagen zum Schutz vor Sabotage nicht funktionierten, mußten immer noch höhere Antennenmasten auf die dadurch weithin auffallenden Betonhäuschen gebaut werden. Das Panzerglas vor den Kameras mußte gegen normales Fensterglas ausgetauscht werden, weil die Spuren von Farbsprayattacken nicht vom Spezialglas zu beseitigen waren. Und dann verrußten die Häuschen durch die Abgase der Dieselaggregate so stark, daß die Auspuffanlagen verlängert werden mußten.

Beim ersten Einsatz im Ernstfall schließlich zeigte sich, daß die Bilder von Langsamfahrern scharf waren, die von den Rasern aber unscharf und somit völlig unbrauchbar. Außerdem waren die Meßergebnisse der Radarhäuschen schlicht und einfach falsch, und so mußten im Sommer 1994 über hundert Bußgeldbescheide gegen Raser zurückgezogen werden.

Wie das Polizeipräsidium Schwaben nun einräumt, ist der Modellversuch vollends gescheitert. Dort gibt man offen zu, daß keine der Erwartungen erfüllt wurde. Die Autofahrer bremsten kurz vor den grauen Häuschen ab und gaben wenige Meter später wieder Gas.

Die 500.000 Mark teuren Radarstationen sollen in Kürze demontiert werden. Der seit gut einem Jahr amtierende neue Polizeipräsident Hans Endres zog einen Schlußstrich und erreichte beim Innenministerium, daß er mit der Altlast seines Vorgängers endgültig abschließen darf. Jetzt heißt es, den Schaden herunterzurechnen. Durch angeblich anderweitigen Einsatz der Meßanlagen soll der finanzielle Verlust auf 200.000 Mark reduziert werden.

Bis eine neue Verwendung gefunden sein wird (und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nachläßt), sollen die Häuschen „zwischengelagert“ werden. Gegen die Herstellerfirma, so die Polizei, sollen jetzt Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Klaus Wittmann