Zukunft für die Jugend bald zum halben Preis?

■ Anti-Gewalt-Programm „Jugend mit Zukunft“ droht Kürzung um 50 Millionen Mark / Entscheidung am Mittwoch

Am Mittwoch wird im parlamentarischen Hauptausschuß über die Zukunft entschieden: Auf dem Spiel steht „Jugend mit Zukunft“ – das Sonderprogramm gegen Gewalt, das im Dezember 1992 von CDU und SPD gestartet und von Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) immer wieder stolz präsentiert wurde. Über drei Jahre sollten in Berlin jeweils 100 Millionen Mark bereitgestellt werden, um Jugendliche von der Straße zu holen. Nachdem die Vorgabe 1993 und 1994 jeweils knapp eingehalten wurde, droht jetzt die Halbierung: Nach Absprachen von SPD und CDU sollen für 1995 nur 50 Millionen zur Verfügung gestellt werden.

Seit Wochen tappen zahlreiche freie Träger von Jugendprojekten im dunkeln, was ihre Zukunft in 1995 betrifft, weil die Parlamentarier im November nicht ihre Hausaufgaben machten. Seitdem steht eine Entscheidung aus. „Wir bezahlen die Gehälter im Moment von unseren Reserven“, erklärte Barbara Tennstedt, Mitarbeiterin von FIPP (Fortbildungsinstitut für pädagogische Praxis), der taz. „Normalerweise hätten wir dreizehn Leute entlassen müssen, weil die Gelder nicht rechtzeitig bewilligt wurden.“ Unter anderem hätten zwei Mitarbeiter eines Schülerclubs in Weißensee, die erst im Dezember ihre Arbeit begonnen haben, zu Beginn des Jahres wieder gehen müssen. Bei der Sportjugend in Lichtenberg, die u.a. mit Rechtsextremen arbeitet, standen zwischenzeitlich siebzig Arbeitsplätze auf dem Spiel. Dennoch arbeiten alle irgendwie weiter – im guten Glauben daran, am Mittwoch vom Hauptausschuß bestätigt zu werden.

Daß alle Projekte des Sonderprogramms aufrechterhalten werden können, darf allerdings bezweifelt werden: Für 71 Millionen Mark wurde von den vier zuständigen Senatsverwaltungen für Jugend, Schule, Soziales und Arbeit für 1995 Bedarf angemeldet. „Es wäre für alle besser gewesen, wenn vorher entschieden worden wäre“, kommentiert auch Wolfgang Penkert, Leiter der Jugendförderung, zur taz. „Wenn wir unsere Projekte durchbekommen, können wir aufatmen.“

Finanziert wird über das auf drei Jahre angelegte Programm angesichts der Kürzung dauerhafter Subventionen ein großer Teil der Jugendarbeit: Streetwork, Schülerclubs, Sportjugendclubs, Jugendkulturarbeit oder Rockmobile. Auch das „ökologische Jahr“ und das „Europajahr“ für Jugendliche werden aus dem Sonderprogramm finanziert. Ermöglicht wurde außerdem endlich, Jugendfreizeitheime auch am Wochenende für Jugendliche zu öffnen. Das kann bald vorbei sein. „Zwei Stellen für die Wochenendöffnung, die Anfang des Jahres frei werden, haben wir erst mal nicht neu besetzt“, erklärte Michael Wendt (Bündnis 90/Grüne), Neuköllner Jugendstadtrat.

So einig sich alle sind, daß das Programm weiterhin benötigt wird, um Jugendarbeit in Berlin wenigstens auf dem jetzigen Stand zu halten, so offensichtlich sind auch die Mängel der kurzfristigen Finanzierung zahlreicher Projekte: „Seit Jahren gehen die Strukturen in der Jugendarbeit kaputt“, weil es an beständiger Förderung fehlt, beobachtet Wendt nicht nur in Neukölln. Jeannette Goddar