Vom Sondermüll zum „Wertstoff“

Staatsanwaltschaften ermitteln gegen Mülldealer in Hamburg / Gute Geschäfte mit der illegalen Entsorgung von giftigem Müll der Shell AG und der Blohm-und-Voss-Werft  ■ Aus Hamburg Marco Carini

Die Staatsanwaltschaften in Schwerin und Hamburg ermitteln auf Hochtouren. Der Vorwurf: umweltgefährdende Abfallbeseitigung und Betreiben einer ungenehmigten Deponie. Mehrere durch Personalunion miteinander verflochtene Firmen aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sollen Abfälle Hamburger Großunternehmen illegal entsorgt haben. Das Geschäft lief stets nach dem gleichen Strickmuster: Abfälle wurden als Wertstoffe deklariert, auf die grüne Wiese gekippt oder weiterveräußert.

Seit 1992 ermittelt die Schweriner Staatsanwaltschaft gegen Wolf Rüdiger G. und Peter B., beide bis 1993 Geschäftsführer des in Holthusen angesiedelten Unternehmens „Recycling und Baustoffcenter Mecklenburg (RBM). Hauptgegenstand des Ermittlungsverfahrens ist die Odyssee von 510 Tonnen geschredderter Holzreste der Shell AG.

Die Hamburger Dependance des Mineralölkonzerns hatte im Juni 1992 die in Hamburg-Norderstedt ansässige Firma A.S.N. GmbH beauftragt, die Holzreste auf eine Deponie zu bringen. Wolf- Rüdiger G., bis 1993 Geschäftsführer der A.S.N. beauftragte daraufhin die A.S.N-Tochter RBM, bei der er ebenfalls als Geschäftsführer tätig war, mit der Entsorgung der Shell-Abfälle. Die Abfälle wurden illegal auf einem unbefestigten Holthusener Firmengrundstück der RBM abgelagert.

Zuvor hatte Wolf-Rüdiger G. in Absprache mit der Shell noch ein Gutachten des Hamburger Umweltschutzlabors „Dr. Kaiser & Dr. Woltmann“ eingeholt, in dem bestätigt wurde, daß das Holz lediglich mit Spuren von Imprägnierlösung belastet, ansonsten nicht mit Chemikalien verunreinigt sei. Die Abfälle wurden als ungefährlicher „hausmüllartiger Gewerbemüll“ deklariert. Ein späteres Gutachten eines Schweriner Instituts, das Wolf-Rüdiger G. auf Druck des Schweriner Umweltamtes in Auftrag gab, kommt zu einem ganz anderen Schluß: Das Holz sei durch Chrom, Zink und Kupfer sowie das hochgiftige Pentachlorphenol (PCP) in hohem Maße verunreinigt. Es muß danach als Sondermüll entsorgt werden.

Wolf-Rüdiger G. versucht daraufhin die Gutachter zu bestechen. Die Polizei Schwerin: „Der Beschuldigte hat versucht, einen Mitarbeiter vom Umweltanalysebüro dazu zu bewegen, ein Gutachten gegen Bezahlung eines Betrags von DM 50.000 umzuschreiben“. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen auch gegen einen Mitarbeiter der Shell AG, der von dem Mülldeal möglicherweise informiert war.

Doch den Staatsanwälten liegen noch weitere Fälle vor: So sollen Sandstrahlrückstände der Hamburger Werft Blohm und Voss und verseuchter Boden von einem Firmengelände der Hamburger Wasserwerke von den genannten Müllfirmen ebenfalls illegal entsorgt worden sein.

Mit Hilfe eines manipulierten Gutachtens wanderte das konterminierte Erdreich als unbelasteter Mutterboden deklariert, auf die stadteigene Deponie von Lübz. Im Erdreich befindliche, leckgeschlagene Teerfässer sollen nach Informationen der taz nicht wie offiziell behauptet auf die Sondermülldeponie Schönberg, sondern auf eine sich im schleswig-holsteinischen Fleckeby befindliche Abfallkippe gewandert sein.