Einig, aber geheim

Der VW-Konzern übernimmt die Aktienmehrheit der tschechischen Autofabrik Škoda  ■ Von Sabine Herre

Prag/Berlin (taz) – Mehr als ein Jahr haben Deutsche und Tschechen um die Zukunft der Škoda AG gefeilscht, nun ist es endlich soweit: Ein „Zusatz“, der den 1991 vom Volkswagenkonzern und der tschechischen Regierung geschlossenen Vertrag konkretisieren soll, wurde am Freitag in Prag paraphiert. Wie diese Zukunft aussehen wird, bleibt freilich im Dunkeln. Das Dokument ist geheim, bekannt wurden bisher nur Einzelheiten. Demnach erhöht der VW- Konzern noch in diesem Jahr das Kapital Škodas um 350 Millionen Mark und erlangt für weitere 40 Millionen Mark eine Aktienmehrheit von 50,5 Prozent. Als „Gegenleistung“ erhält die tschechische Seite ein Vetorecht bei allen wichtigen Entscheidungen über die Entwicklung Škodas. Die Produktionskapazität soll bis 1997 auf 340.000 Wagen erhöht werden.

Gerade diese Zahl hatte in den vergangenen Monaten zu Unstimmigkeiten geführt. Konzernchef Ferdinand Piech hatte während eines Seminars in Prag die Bemerkung fallen lassen, daß Škoda nicht wie ursprünglich vereinbart 400.000, sondern nur 300.000 Autos pro Jahr herstellen solle. Da Volkswagen bereits 1993 die vorgesehenen Investitionen von sieben Milliarden Mark praktisch halbiert hatte, schien erneut bewiesen, daß die Deutschen ihre eigenen Absatzschwierigkeiten auf Kosten der Tschechen lösen wollen. Der Sprecher des Prager Industrieministers dachte öffentlich über eine Reduzierung des vorgesehehen Aktienanteils von VW bei Škoda nach.

Noch wenige Tage vor Abschluß des Zusatzvertrags hatte Industrieminister Vladímir Dlouhý auf einer Kapazität von 390.00 bestanden. Sein Sprecher lehnte es denn auch ab, die erzielte Vereinbarung zu kommentieren. Vorprogrammiert sind auch Proteste der Gewerkschaft. Ebenso wie die Regierung fürchtet sie, daß VW tschechische Zulieferer durch deutsche ersetzen und die Entwicklung und Produktion eigener Škoda-Motoren einschränken wird. Wegen interner Umstrukturierungen bei Škoda sollen zunächst 800 Mitarbeiter entlassen werden, durch die „Fraktalisierung“ – die Einführung eigenverantwortlicher Produktionseinheiten – könnten jedoch weitere 700 der insgesamt 17.000 Beschäftigten ihre Arbeit verlieren.

Auch der ehemalige ČSFR- Außenminister Jiří Dienstbier kritisiert den Zusatzvertrag. Das der tschechischen Seite zugestandene Veto habe nur geringe Bedeutung, da man keine Investitionen erzwingen könne. Und die Kommentatoren der Tageszeitung Lidové noviny weisen darauf hin, daß nun einer der bedeutendsten tschechischen Industriebetriebe von einer deutschen Firma beeinflußt wird.