■ Treuhandanstaltuntersuchungsausschußabschlußbericht
: Außerhalb jeder Kontrolle

„Bei uns können Sie viel Geld verdienen und Ihrer unternehmerischen Spürnase folgen. Wenn ein Geschäft in die Hose geht, ist es auch nicht so schlimm: Sie sind von der Haftung für fahrlässige Entscheidungen freigestellt und dürfen einen neuen Versuch starten. Für Ihre Fehler kommen die Steuerzahler auf, die nicht erfahren werden, wer Millionen oder auch Milliarden in den Sand gesetzt hat. Auch ohne entsprechende Ausbildung und Vorkenntnisse haben Sie bei uns eine Chance.“ Viele Berufseinsteiger werden es bedauern, daß die Stellenausschreibungen der Berliner Treuhandanstalt inzwischen der Vergangenheit angehören. Im Dezember dieses Jahres geht die Ära einer Institution zu Ende, die wie keine Behörde vor ihr außerhalb der demokratischen Kontrolle agieren konnte.

Vergeblich hat sich die Opposition im Treuhanduntersuchungsausschuß darum bemüht, Licht in die Entscheidungsprozesse der einst größten Holding der Welt zu bringen. Mit Hinweis auf ihr Zwitterdasein als Behörde und Betrieb berief sich die Treuhand jeweils auf jenen Teil ihres Wesens, der eine Aussage- und Aktenverweigerung am ehesten zu rechtfertigen schien.

Nach Kräften unterstützt wurde sie dabei von der Bundesregierung und den Koalitionsabgeordneten im Treuhanduntersuchungsausschuß. Kein Wunder, denn hauptverantwortlich für das von der Breuel-Behörde verursachte Steuerloch von mindestens 275 Milliarden Mark und den Verlust von einigen hunderttausend Arbeitsplätzen ist die Bundesregierung. Von Anfang an etablierte sie die Treuhand als eine Art Nebenregierung. Sie sollte als Blitzableiter für die Wut der Ostdeutschen über ihre zusammenbrechenden Betriebe dienen.

Um als Watschenmann zu taugen, wurde die Treuhand mit fast unbeschränkter Handlungsfreiheit ausgestattet. Das Bundesfinanzministerium beaufsichtigte absichtlich nicht, was die Leute in der Breuel-Behörde ausheckten: Denn wer kontrolliert, wird auch in der Öffentlichkeit als verantwortlich wahrgenommen. So gab es kein Regelwerk, nach dem sich die einzelnen Mitarbeiter richten mußten, und Theo Waigel wollte von den rund 6.000 Privatisierungen nur die bedeutendsten 150 in seinem Hause gegenchecken lassen.

Selbst dabei aber schlampten seine Leute: Mindestens zehn dieser Großverkäufe wurden ohne Segen aus Bonn genehmigt, und den Beamten aus dem Finanzministerium fiel dies zunächst nicht auf. Als die Breuel-Behörde einfach die dem Vorstand zugestandene Haftungsfreistellung auf alle Mitarbeiter übertrug, ließ das Finanzministerium auch dies als Ausdruck unternehmerischer Freiheit durchgehen.

Gemeinsam haben Bundesregierung, Treuhand und die Abgeordneten der Regierungsfraktionen im Untersuchungsausschuß verhindert, daß zumindest im nachhinein die Ursachen für den Exodus vieler Betriebe aufgeklärt werden konnten. Mit der Zurückhaltung der entscheidensten Akten und der willkürlichen Einstufung fast jedes Papierschnipsels als vertrauliches Dokument haben sie das Grundgesetz mit Füßen getreten, das eine parlamentarische Kontrolle der Regierung eindeutig festschreibt. Beim Thema Demokratiedefizit im Osten aber fällt der Regierung keineswegs der schwarze Schleier über der Treuhand ein. Stattdessen schwadroniert sie lieber von der Gefahr der roten Socken. Annette Jensen