Keine zentrale Plutonium-Fahndung

■ Justizministerin gegen schärfere Gesetze zur Verfolgung des Nuklearschmuggels / Schmidbauer berät weiter mit russischen Geheimdienstchefs / Fahnder vermuten Schmuggeldepots in der Bundesrepublik

Berlin (dpa/AFP/taz) – Nach Ansicht von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sind keine schärferen Gesetze notwendig, um den Atomschmuggel zu bekämpfen. In Berlin verwies die FDP-Politikerin gestern darauf, daß erst kürzlich das Kriegswaffenkontrollgesetz geändert wurde, womit auch der Handel mit Plutonium unter Strafe gestellt wurde. Schwerpunkt müsse gegenwärtig sein, die internationale Zusammenarbeit bei den Ermittlungen zu verstärken, die Bundesrepublik werde sich auch dafür in der Europäischen Union einsetzen.

Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich weiter dagegen aus, die Ermittlungen in der Bundesrepublik beim Wiesbadener Bundeskriminalamt zu zentralisieren. Die Länder hätten in der jüngsten Vergangenheit „gute Erfolge erzielt“. Darüber hinaus erinnerte die Ministerin daran, daß nach dem von der Koalition geplanten Verbrechensbekämpfungsgesetz auch der Bundesnachrichtendienst künftig seine Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten darf.

Der Bonner Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer hat gestern in Moskau mit dem Chef der russischen Auslandsaufklärung, Jewgeni Primakow, und dem Leiter des russischen Geheimdienstes FSK, Sergei Stepaschin, über eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Geheimdienste beraten. Schmidbauer wurde von den Chefs des Bundesnachrichtendienstes und des Kölner Verfassungsschutzes, Konrad Porzner und Eckart Werthebach, begleitet.

Nach Abschluß der Beratungen veröffentlichte die deutsche Botschaft eine Erklärung, nach der beide Seiten den Schmuggel von atomaren Substanzen, wo immer sie herkämen, als eine große Gefahr bezeichnen. Die Gespräche seien in einer „konstruktiven Atmosphäre“ verlaufen. Stepaschin sagte aber nach Angaben der Nachrichtenagentur ITAR-TASS, es habe bei dem Treffen mit Schmidbauer „keine klare Anwort bezüglich der Herkunft des Plutoniums gegeben“, das in Deutschland beschlagnahmt worden war. Kanzlerminister Bohl erklärte unterdessen in Bonn, der Plutoniumschmuggel sei „kein spezielles deutsches Thema“. So habe es in den letzten Jahren europaweit 300 solcher Fälle gegeben.

Das bayerische Landeskriminalamt (LKA) hält es unterdessen nach einem Bericht der ARD-Sendung „Report München“ für möglich, daß Nuklearschmuggler längst Atomdepots in Deutschland oder angrenzenden osteuropäischen Staaten angelegt haben. Wie der leitende Ermittler im Bereich Nuklearfahndung, Walter Nachreiner, gegenüber der taz bestätigte, müsse aus den vielen Hinweisen gefolgert werden, „daß die Anbieterseite glaubhaft sagt, die angebotene Restmenge ist bereits hier in Deutschland deponiert oder erreichbar“. Die Zahl der Ermittlungsverfahren, die wegen des versuchten illegalen Handels mit „hartem Material“ seit der Wende beim bayerischen LKA eingeleitet wurden, bezeichnete Nachreiner auf Anfrage als „zweistellig“.

Kooperation USA-Rußland

Die Regierungen der Vereinigten Staaten und Rußlands haben nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Newsweek Geheimgespräche über die Zusammenarbeit im Bereich der Atomsicherheit aufgenommen. Hintergrund sind offenbar die Berichte über Sicherheitsmängel in den russischen Atomforschungsinstituten und Laboratorien nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Die Experten beider Seiten wollten Vorkehrungen für den Fall treffen, daß Atomwaffen aus den Arsenalen verschwinden. Dabei gehe es um eine Zusammenarbeit beim Aufspüren verschwundener Waffen. Die Gespräche würden auf amerikanischer Seite von Experten des Energie- und des Außenministeriums geführt. wg.