MMM-Aktionäre hoffen weiter auf ein Wunder

■ Demonstrationen für den verhafteten Chef der bankrotten russischen AG

Moskau (taz) – Sergej Mawrodi, der Chef der verlustträchtigen russischen Aktiengesellschaf MMM, feierte am Donnerstag seinen Geburtstag. Dies war Anlaß zu neuen Aktivitäten von Sympathisanten und immer noch gläubigen Aktionären der Gesellschaft. „Wir sind mit dir!“ und „Das ist nur der Anfang!“ skandierten 1.000 DemonstrantInnen mit Blumen, zurückgedrängt von Ketten der Anti-Terror-Einheit OMON vor dem Hauptquartier der Moskauer Kriminalpolizei, der „Petrowka 10“. Dort sitzt der offenbar geniale Mathematiker seit einer Woche wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft.

Wie sich allmählich herausstellt, gehörten zu Mawrodis Imperium fast ein halbes Hundert verschiedener Kleinunternehmen, Banken und Kooperativen, von denen die meisten keine andere Aufgabe hatten, als die Gewinne aus dem Aktienverkauf der nach dem Pyramidenschema funktionierenden Gesellschaft MMM zu verschleiern. Die Gesellschaft zahlte ihren Aktionären schier unglaubliche Renditen, die sie nach Kettenbrief- Muster aus den Einzahlungen neuer Anleger finanzierte.

Veranstaltungen wie die vor dem Untersuchungsgefängnis plant die „Union der MMM-Aktionäre“, gegründet vor zehn Tagen, in Zukunft täglich abzuhalten: „Damit Mawrodi rauskommt und die MMM-Angelegenheiten entwirren kann.“ Als Gratulant tauchte auch der Generalsekretär der „Partei der Bierliebhaber“ mit einem Fäßchen und einem Sixpack auf. Er wurde aber von den Beamten der Petrowka mit sichtlichem Bedauern zurückgewiesen: „weil auch das ein alkoholisches Getränk ist“.

Mit der Meldung: „Er ißt ganz ordentlich“, hatten Kollegen vom Revier zu Wochenbeginn Gerüchte über einen vermeintlichen Hungerstreik Mawrodis zerstreut. Einige voreilige weibliche MMM- Fans hatten sich dem bereits – auf offener Straße liegend – angeschlossen und wurden von der Miliz abgeschleppt.

Inzwischen wird die berühmte Fernsehwerbung der Firma fortgesetzt. Dabei ist es gelungen eine Serien-Traum wahrzumachen und die mexikanische Schauspielerin Viktoria Ruffo gemeinsam mit menschlichen MMM-Emblemen, dem Bulldozerfahrer, Ljonja Golubkow, und der „alleinstehenden Frau“, Marina Sergejewna, auftreten zu lassen. Viktorija Ruffo ist Star der Seifenoper „Einfach Marija“, die in der Gunst der RussInnen das abgelaufene Serial „Auch die Reichen weinen“ ablöste. Frau Ruffo hat sich jetzt von ihrer kurzfristigen Tätigkeit in Rußland distanziert und will nicht gewußt haben, daß sie – für ein verschämt verschwiegenes – Honorar einer Gesellschaft aufsaß, deren Machenschaften eine immer noch unbekannte Millionenzahl russischer BürgerInnen um ihr Geld brachte. Der mexikanische Star erwägt jetzt rechtliche Schritte.

Ein langerwartetes Machtwort sprach vorgestern Präsident Boris Jelzin angesichts der Forderungen nach staatlicher Entschädigung für die geschädigten Aktionäre. „Die Regierung hat damit absolut nichts zu tun gehabt, sie hat keine Garantien gegeben und wird sich überhaupt nicht einmischen. Das Ganze ist eine Angelegenheit für die Gerichte“, sagte Jelzin. Sprach's und schwang sich auf den Dampfer zu einer Polit-Tour entlang der Wolga. Barbara Kerneck