■ Goodwill Games
: Fidels flinke Fäuste

St. Petersburg (taz) – „Wenn Fidel Castro ein paar Millionen Dollar braucht“, soll Don Duva, einer der mächtigsten Manager des Profiboxens, einmal gesagt haben, „dann muß er uns nur seine Boxer herüberschicken.“ Allein Felix Savon, Olympiasieger und vierfacher Weltmeister der Amateure, könnte als Profi-Champion aller Klassen 100 Millionen Dollar verdienen. Doch Savon sagt weiterhin nein. Der 26jährige Recke gibt sich zufrieden mit 360 Dollar Monatsgehalt, mit einer Dreiraumwohnung in Guantanamo, einem Lada und einer Extra-Verpflegungsration. „Wenn ich Kuba verlassen müßte“, fürchtet Savon, „würden mich meine Leute hassen.“

Kubas Boxer setzen statt auf „Greenbacks“ lieber auf Fidel Castro und die Revolution. Bei den Goodwill Games haben sie die Konkurrenz gar fürchterlich verprügelt und in zwölf Gewichtsklassen sechsmal gewonnen. Die Freude darüber hielt sich allerdings in Grenzen. Vor vier Wochen ist Roberto Balado (25) Olympiasieger und dreifacher Weltmeister im Superschwergewicht, im Auto auf einem Bahnübergang von einem Güterzug zermalmt worden. „Es ist unfaßbar, wir werden noch lange um ihn trauern“, sagte Nationaltrainer Alcides Sagarra. Kuba hat einen Nationalhelden verloren.

Sie haben kaum gelacht, doch ihre Genugtuung war im Jubiljeni- Sportpalast deutlich zu spüren. Stolz erhob der weise Box-Professor Sagarra (67) das Haupt. Die Schmach ist getilgt, die seine auserlesene Staffel – 1992 in Barcelona und 1993 bei der WM in Tampere mit je sieben Titeln dekoriert – Anfang Juni beim Weltcup in Bangkok ereilte. In Thailand hatten nur Savon und Balado gewonnen, acht Kubaner gelangten nicht ins Halbfinale, von sieben Duellen mit deutschen Amateuren wurden gar sechs verloren. Das kam einem Erdrutsch gleich.

Auf die Besonderheiten des Weltcups, dort wurden fünf Runden à zwei Minuten geboxt, hätten sich die Kubaner nicht gründlich vorbereitet, vermutete der deutsche Trainer Otto Ramin (Schwerin). Die Mittelamerikaner verstanden das nur als schlechten Witz. „Ich boxe auch sieben Runden oder acht“, zürnte Mittelgewichtler Ariel Hernandez, der Olympiasieger, „das Problem war, daß die Deutschen in Thailand die Punktrichter bezahlt haben.“ Wie eine Horde Rumpelstilzchen waren Sagarra & Co. in Bangkok herumgesprungen, hatten geschrien, gewütet und getobt. Der Amateur- Weltboxverband AIBA konnte jedoch keine Unregelmäßigkeiten in der Arbeit ihrer Juroren feststellen und rügte die Kubaner.

Die Deutschen verzichten künftig auf Trainingslager mit den Kariben. Auf die WM im nächsten Jahr in Berlin werden sie sich mit den US-Amerikanern vorbereiten. „Wir entziehen uns der Studienreise der Kubaner“, erklärte Otto Ramin. Vor Barcelona und Tampere haben sie noch gemeinsam geschwitzt und verloren dann alle Duelle mit ihren Sparringspartnern von der Antillen-Insel.

In St. Petersburg war von Reibereien kaum noch etwas zu spüren. Nur Heißsporn Ariel Hernandez mochte noch etwas stänkern: Es herrsche „Krieg“, wenn es im Ring gegen einen Deutschen gehe, „denn die haben uns in Bangkok mit schmutzigen Methoden besiegt“. Sie mögen vielleicht die Bräuche des professionellen Boxsports „verabscheuen“ (Savon), doch die Kubaner kennen alle Tricks, und die saftigen Sprüche der Profis haben sie schon lange drauf.Jens Weinreich