■ Private Arbeitsvermittler kommen
: Wer kann, der darf

Der Weg von der Zweidrittel- in die Eindrittelgesellschaft ist mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gepflastert. Doch selten sind diese so offensichtlich an den Bedürfnissen der Unternehmer ausgerichtet wie das heute in Kraft getretene Beschäftigungsförderungsgesetz. Unter dem Vorwand, den Arbeitsmarkt beleben zu wollen, hat man ihn liberalisiert – im schlechten Sinne des Wortes.

Wer kann, der darf, heißt die Parole, und in der Praxis bedeutet das, daß künftig jeder, der nicht hochverschuldet, plemplem oder ein Raubmörder ist, gewerbsmäßig ArbeiterInnen vermitteln kann. Man mag dem Arbeitsamt private Konkurrenz gönnen – und das zu Recht –, aber was nützen private Vermittler, wenn es an Arbeitsplätzen mangelt? Man wird den Verdacht nicht los, daß es sich bei dieser Maßnahme um einen gutgetarnten Angriff auf die Tariflöhne und sozialen Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung handelt. Denn künftig können die Unternehmen ihren Personalbedarf in erheblich größerem Umfang als bisher mit Leihkräften decken und dafür Stammpersonal abbauen. Das Gesetz läßt von Personalleasing bis Vermittlung alles zu. Die Gewährung von tariflicher Bezahlung sowie von Urlaubs- und Weihnachtsgeld liegt dann auch im Ermessen der Vermittler, die die Rolle von externen Personalbüros übernehmen, indem sie mit den Arbeitgebern kostengünstige Konditionen aushandeln. Nicht umsonst richtet sich die neue Arbeitsvermittlerverordnung im §3 Absatz 1 ausdrücklich an Arbeitnehmerüberlassungsfirmen, die seit jeher ihr Schnäppchen mit der Erwerbslosigkeit machen, indem sie Arbeitskräfte unter Tarif und bei lausigen Sozialleistungen verleihen. So ist es dann wohl nur eine Frage der Zeit, bis die 52-Stunden-Woche bei halbem Lohnverzicht realisiert ist. Aber bis dahin bedarf es noch einiger Talk-Shows, in denen Norbert Blüm mit dem Industrie-Oberboß Stihl rumsülzen darf, wie gefährdet der Industriestandort Deutschland ist.

Man hat wirklich allen Grund, genau hinzugucken, wenn konservative Politiker Märkte liberalisieren – erst recht, wenn es der Arbeitsmarkt ist. Peter Lerch