Juristisches Tauziehen um Castor-Behälter

■ Eine Notwendigkeit zur Inbetriebnahme des Zwischenlagers besteht derzeit nicht – doch mag man die Einlagerungsgenehmigung von 1983 nicht verfallen lassen

Das Ding, das zur Zeit im AKW Philippsburg mit sieben bis neun hochradioaktiven Brennelementen beladen wird, ist ungefähr zwei Meter breit, sechs Meter lang und wiegt runde 80 Tonnen. Castor steht für eine Abkürzung, die darauf verweist, daß der Behälter für den Transport und die Trockenlagerung des hochradioaktiven Abfalls geeignet sein soll. Wer an einem ungeschützten abgebrannten Brennelement auch nur mit dem Auto vorbeifährt, ist tödlich verstrahlt. Ein Behälter enthält das radioaktive Inventar von 40 Hiroshima-Bomben. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an Dichtheit und Haltbarkeit, die der Behälter erfüllen muß. Entsprechend sorgfältig muß der Castor auch im AKW beladen werden.

Die nachträgliche Kontrolle des Beladevorgangs obliegt dem niedersächsischen Umweltministerium. Im Paragraphen 18 der Einlagerungsgenehmigung für das Gorlebener Castor-Lager wird daher verlangt, daß die Zustimmung des Landes Niedersachsen vor dem Transport einzuholen ist – obwohl nicht das Land, sondern das Bundesamt für Strahlenschutz die Genehmigungsbehörde ist. Mehrfach hat Monika Griefahn in den letzten Tagen in Aussicht gestellt, daß das Land diese Zustimmung nicht erteilen werde. Um dieser Weigerung aus Hannover Nachdruck zu verleihen, soll das Landeskabinett förmlich über die Zustimmung entscheiden.

Für diese Entscheidung sollen allerdings nicht nur die technischen Details des Beladevorgangs maßgeblich sein, Monika Griefahn will auch noch einmal prüfen, ob gegenwärtig ein Bedarf für die Inbetriebnahme des Gorlebener Castor-Lagers besteht. Daß ein solcher Bedarf vorhanden sein muß, ergibt sich für die Juristen im Umweltministerium aus dem Strahlenminimierungsgebot des Atomgesetzes: unnötige Atomtransporte sind demzufolge zu vermeiden. Daß es gegenwärtig keine Notwendigkeit gibt, das Gorlebener Zwischenlager in Betrieb zu nehmen, ist allerdings unbestritten. Bis zum Jahre 2011 reichen auch nach Angaben der Betreiber die Zwischenlagerkapazitäten im AKW Philippsburg selbst.

Das Castor-Lager soll nur zum jetzigen Zeitpunkt in Betrieb genommen werden, damit die alte Einlagerungsgenehmigung aus dem Jahre 1983 nicht verfällt. Das niedersächsische Umweltministerium hatte dem Bundesamt für Strahlenschutz schon im Januar dieses Jahres mitgeteilt, daß die Voraussetzungen der alten Genehmigung entfallen sind, die Genehmigung damit erloschen ist. Ursprünglich war das Castor-Lager nämlich vorgesehen, um abgebrannte Brennelemente jene fünf oder sieben Jahre aufzubewahren, die diese abklingen müssen, bevor sie zur Wiederaufarbeitung ins Ausland geschickt werden. Als die Genehmigung für Gorleben erteilt wurde, gab es die Kompaktlager in den AKWs noch nicht, in denen die Brennelemente heute bis zum Transport zur WAA bleiben. Ähnlich wie das Umweltministerium argumentieren auch die Kläger, die jetzt beim Verwaltungsgericht Lüneburg erneut eine einstweilige Anordnung gegen die Inbetriebnahme des Lagers beantragt haben. Das Lüneburger Gericht geht davon aus, daß der Transport das AKW Philippsburg nicht verläßt, bevor über diesen Antrag auf Anordnung entschieden ist. Jürgen Voges