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Le Concertina Zoulou et Sotho en Afrique du Sud 1930–1960 (Silex Memoire Y 22 51 079)

Man mag gegen Paul Simons Weltmusik-Fusionen einwenden, was man will – daß er der südafrikanischen Musik zum Durchbruch verholfen hat, dürfte nur schwer zu bestreiten sein. Sein Mega-Erfolg „Graceland“ machte 1986 die Klänge aus den Townships weltweit bekannt, neben dem Vokalensemble Ladysmith Black Mambazo vor allem die Gruppe Tao Ea Matsekha (Löwe von Matsekha) mit ihrem Ziehharmonikaspieler Forere Metloheloa.

Auf dem französischen Silex- Label, das sich mehr und mehr zu einem der führenden Labels für Ethnomusik entwickelt, ist jetzt eine Platte erschienen, die erstmals Einblicke in die Tradition der Township-Musik gibt. Die Anfänge reichen bis ins letzte Jahrhundert zurück, die Geschichte ist eng an ein spezielles Instrument gebunden: die Concertina, die kleine Schwester der Handharmonika.

Nachdem um 1870 in der Gegend von Kimberley und später Johannesburg Gold gefunden worden war, strömten Legionen schwarzer Arbeiter aus dem Hinterland in die Minen – der Jobs wegen. Getrennt von ihren Familien, lebten sie abgesondert in trostlosen Baracken, neben dem Sport boten die Feierabendvergnügungen den einzigen Ausgleich. Musik wurde zum Überlebensmittel. In den Läden waren bald überall billigst Instrumente zu haben: Mundharmonikas, Gitarren und vor allem Concertinas.

Wie die frühen Aufnahmen aus den dreißiger Jahren zeigen, wurde die Concertina anfangs zumeist solo gespielt, zur Begleitung des Gesangs. Das machte sie neben dem Daumenklavier zum beliebten „Transportmittel“, weil sie problemlos im Gehen gespielt werden konnte und deshalb auf den kilometerlangen Fußmärschen willkommene Abwechslung bot. Die gleichmäßige Gehbewegung wurde in Akkordmotive übersetzt, die sich stetig wiederholten und so eine hypnotische Wirkung erzeugten. Die Sänger nahmen kein Blatt vor den Mund. Ungeschminkt wurde das bittere Los der Migration geschildert, vom Schmerz der Trennung und vom Heimweh berichtet. In einem Song heißt es: „Onkel hat uns vor langer Zeit verlassen, seither ist er nicht mehr zurückgekommen. Er ging nach Johannesburg, und die ,Goldene Stadt‘ hat ihn verschluckt.“

Die schwarzen Musiker übernahmen viel aus ihrer weißen Umgebung. Volkstümliche Tanzmelodien der Buren und Engländer, aber auch Jazz und die Musik der „Minstrel-Shows“ hinterließen deutliche Spuren im „Zulu- Dance“. Bergarbeiter, die in ihre Dörfer zurückkehrten, machten die Concertina auf dem Land bekannt, so daß das Balginstrument bald zu einem festen Bestandteil der gesamten schwarzen Tradition wurde (wobei es sich mit Gitarre und Perkussion ausgezeichnet ergänzte).

Durch den Beat der Sechziger gewann die Musik an Drive. Elektrische Gitarren und Schlagzeug hielten in den Townships Einzug, woraus ein neuer Stil entstand, „Mbaqanga“ genannt. Von ihm borgte sich Paul Simon – „The Boy in the Bubble“ – den magischen Klang.