Ein Freund und Helfer

■ Polizist wegen Gefangenenbefreiung verurteilt, weil er Abschiebehäftling half

Berlin (taz) – Von sich selbst sagt er: „Ich bin mit Leib und Seele Polizeibeamter.“ Als Rebell möchte er sich nicht verstanden wissen, eher als der gute Schutzmann von nebenan. Folgerichtig ist für Polizeihauptkommissar Roland Schlosser eine konsequente Umsetzung seiner Pflichten als Bürger und Beamter, was das Amtsgericht Landau nun als Gefangenenbefreiung ahndete und mit einer Geldstrafe von 2.000 Mark belegte.

Im Juni letzten Jahres begann die Geschichte, die das Leben des 46jährigen Polizeikommissars veränderte. In die Polizeidirektion von Landau, deren Schutzpolizeichef Roland Schlosser war, wurden drei abgelehnte afrikanische Asylbewerber zum Abschiebegewahrsam gebracht. Sie landeten in einer spärlich eingerichteten Ausnüchterungszelle im Keller des Polizeipräsidiums. In den neun Quadratmeter kleinen Kammern befand sich lediglich je eine Holzpritsche und eine Decke. Es gab kein fließendes Wasser. Wollten die Inhaftierten auf die Toilette, mußten sie nach einem Wachmann klingen. Hofgang gab es nicht, da zur Überwachung die Beamten fehlten.

Die erniedrigende Prozedur mochte Roland Schlosser nicht länger mit ansehen. Kurzentschlossen quartierte er einen Gefangenen, Alves da C., bei einem befreundeten Lehrer ein. Acht Tage später wurde der Haftbefehl gegen da C. aufgehoben, er erhielt eine Duldung.

Die beiden anderen Afrikaner konnten in einer regulären Gefängniszelle auf ihre Abschiebung warten. Damit hätte das Kapitel eigentlich zu Ende sein können, hätte sich nicht die Dienstbehörde des Polizisten und die Staatsanwaltschaft so nachtragend angestellt. Schlosser wurde zunächst einen Punkt in der Beurteilungsliste herabgestuft. Statt der üblichen Belobigungen aus Anlaß des 25. Dienstjubiläums ging der Polizeihauptkommissar im Januar dieses Jahres leer aus. Am Montag folgte der Prozeß wegen Gefangenenbefreiung. Der Staatsanwalt wollte vom Angeklagten wissen, ob es nicht möglich gewesen wäre, „Abhilfe durch Verschönerung der Zellen zu schaffen“. Auch hätte der Beamte Schlosser ja seinen gerade angetretenen Urlaub opfern können, um mit dem Häftling dreimal am Tag spazieren zu gehen. Darum gehe es ihm nicht, hatte Schlosser erwidert. Ihm gehe es um das Grundgesetz, das die Würde des Menschen über alles stelle. Auch bei den polizeilichen Schulungen sei ihm immer wieder eingeschärft worden, daß der Ausgangspunkt immmer die Würde des Menschen sein muß.

Gefangenenbefreiung, so befand hingegen der Staatsanwalt, „ist auch dann rechtswidrig, wenn der Gefangene unschuldig in Haft saß“. Ausschlaggebend sei, daß die Aufhebung „eines von einer Behörde begründeten Herrschaftsverhältnisses formal korrekt abzulaufen“ habe.

Richterin Bärbel Hele schloß sich dem Staatsanwalt an und verurteilte Schlosser zu 2.000 Mark wegen Gefangenenbefreiung. Der Polizeibeamte, so befand die Richterin, habe „keine Berechtigung“ gehabt, „aus eigener Machtvollkommenheit zu handeln“. Schlosser legte Berufung ein.

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