Risse im Dolgenbrodter Schweigekartell

■ Den Vorwurf, Geld für den Brandanschlag auf das örtliche Asylbewerberheim gezahlt zu haben, weisen die namentlich angeschuldigten Dolgenbrodter Bürger allesamt zurück, doch im Dorf wird mehr denn je getuschelt

Dolgenbrodt (taz) – Nur zwei Container stehen an der alten Hauptstraße in Friedersdorf. In dem einen am Dorfanger verkauft Susanna Oste Blumen und Gebinde, am anderen, einem Imbißwagen, steht groß angeschlagen „Friedersdorfer Döner“. Doch die multikulturelle Idylle an der brandenburgischen Dorfstraße täuscht.

Blumen-Ostes müssen sich seit Freitag mit dem Vorwurf auseinandersetzen, drei jungen Rechtsradikalen 2.000 Mark für das Abfackeln eines Ferienheims in ihrem Heimatort Dolgenbrodt bezahlt zu haben.

Silvio J., der Hauptangeklagte, hat auch den Namen Oste im Dolgenbrodt-Prozeß genannt. In dem Ferienheim, daß direkt neben Ostes Einfamilienhaus lag, sollten im Herbst 1992 eigentlich 86 Asylbewerber einziehen.

Susanna Oste braucht an diesem Nachmittag viel Zeit, um die Beschuldigungen abzuwehren. Ihr Mann ist nicht da, doch die rothaarige Frau mit den vielen Sommersprossen bleibt gelassen. „Ich bin mir ziemlich sicher, daß wir keine 2.000 Mark übrig haben, und dafür schon gar nicht. Das ist nicht unser Stil.“

Silvio J., der im Potsdamer Dolgenbrodt-Prozeß ihren Namen genannt habe, kenne sie überhaupt nicht: „Der ist nie bei uns zu Hause gewesen.“ Sie verschränkt die Arme über ihrem blauen Kittel. „Ich hoffe, daß es dem Geschäft nicht schadet, schließlich gehörten ja auch Ausländer zu unseren Kunden.“ Eine Stunde später weist auch Dietrich Gerhardt, der 55jährige Wirt der Dolgenbrodter Dorfkneipe Kober, Silvios Aussage, er habe für die Brandstiftung gezahlt, weit von sich: „Der Vorwurf ist ein starkes Stück.“ Gerhardt stützt sich auf seine Fünfziger-Jahre- Theke: „Ich könnte jederzeit beschwören, daß ich damit nichts zu tun habe.“ Allerdings – und dann spielt Gerhardt mit seiner Hornbrille: „Die Hand kann man nicht für jeden ins Feuer legen.“

Was der Kober beiläufig sagt, wird hinter vorgehaltener Hand in Dolgenbrodt überall getuschelt. Erinnerungen, Gelesenes und Tratsch verbinden sich zwischen alten Bäumen, Stiefmütterchen, Gartenzäunen und dem See zu einem immer dickeren Brei.

Ganz tief innendrin wird den Dörflern aber immer klarer, daß Ruhe erst einkehrt, wenn der Brand aufgeklärt ist. „Ich wünsche mir, daß sie die kriegen. Das habe ich immer gesagt“, schimpft Marianne Walzer, die Frau des örtlichen Feuerwehrchefs. Sie hat die Nachricht mit den Namen im Radio gehört.

„Schuldig sind doch die, die gesammelt haben. Vielleicht schicken sie von der Polizei jetzt mal die erste Garnitur zum Ermitteln.“ Und mit einer Spur Bewunderung über Silvio: „Der bringt sich damit womöglich in Gefahr.“

Fischer Armin Schulz hat, als er Freitag abend von den Anschuldigungen erfährt, auch er sei an der Geldsammlung für die Brandstiftung beteiligt gewesen, erst mal seinen Anwalt informiert. „Der macht das alles für mich. Ich habe damit nichts zu tun.“ Allerdings gibt es einen Zeugen, der Tage vor dem Brand auf Schulz' Grundstück einen Jeep gesehen hat, in dem vier Skinheads saßen. Einen Jeep, wie ihn Erik Otto fährt, ein bekannter Rechtsradikaler aus Königs Wusterhausen, der von J. als Täter genannt wird.

Doch Schulz weiß von nichts: Nicht einmal bei der Versammlung im Kober, bei der das ganze Dorf lautstark seinen Protest gegen Asylpläne artikulierte, sei er dabeigewesen. Der blonde Zweizentnermann Schulz wohnt nur einen Steinwurf weit vom Heim. „Um viertel drei“ in jener Brandnacht habe sein Sohn Armin auf dem Weg zur Toilette was gesehen, erinnert sich Armins Vater Wilhelm Schulz. „Das muß Feuer sein.“

Gartenbauingenieur Thomas Oste konnte das Heim durch seinen Gartenzaum sogar sehen. Doch an diesem Abend ist der heimgekehrte Jungunternehmer nicht auf Brand und Geld ansprechbar. Er preßt nur zwischen den Zähnen durch: „Ich werde denjenigen, der das heute behauptet hat, verklagen. Und mit Ihnen rede ich nicht.“ Sprach's und räumt weiter die Pflanzen aus seinem Lieferwagen.

In einer Ecke von Ostes großem Garten schaukelt eine Hängematte. Gleich hinter dem Zaun wirkt das Gelände des ehemaligen Ferienheims heute wie ein idyllischer Zeltplatz. Den Schutt des zerstörten Wohnheims hat in den vergangenen Monaten „irgendwer“ abgefahren, das Dorf hat sich nicht gekümmert. Spärliche Erinnerungen an den Brand: ein paar Stühle und Reste des Natodrahts, der das „Betriebskinderferienheim Heinrich Rau“ schützen sollte. Nur das Schild steht noch und der Fahnenmast, ansonsten wächst Gras drüber. Hermann-Josef Tenhagen