Short Stories from America
: Ollie, Ronny, Patti & die anderen

■ Es gibt solchen und solchen Ärger. Der im Scheinwerferlicht ist aber am ärgsten

Daß Oliver North sich um einen Sitz im US-Senat bewirbt, läßt mich über die Attraktivität der Politik nachdenken. Warum müssen Leute, die doch ganz vernünftig aussehen und ihr Geld genausogut mit dem Verkauf von Waffen verdienen könnten, ihr ganzes Leben umkrempeln, um ein öffentliches Amt zu ergattern? Wenn man das tut, können einem die schlimmsten Dinge widerfahren. Ein hundsnormaler Nachmittag, so recht geeignet für einen kleinen Knutsch mit der Sekretärin, wird unversehens zu einem die Nation aufrüttelnden Skandal – und nur, weil sich der Mann um ein Amt bewarb, und als er es hatte, um ein höheres, und dann um die Präsidentschaft, und jetzt ist es aus mit dem Sekretärinnenknutsch, genauso wie mit dem Privatleben.

Im Scheinwerferlicht öffentlicher Ämter macht das Leben nichts als Ärger. Ich meine damit nicht die Art Ärger wie die Presseberichte über die New Yorker Obdachlosen. Anscheinend dürfen die Sozialämter keine obdachlosen Familien in ihren Büros übernachten lassen; sie sollen Notunterkünfte für sie finden. Bürgermeister Giulianis Sozialbehörde behauptete, sie halte sich daran, bis jemand durchsickern ließ, daß „über Nacht“ lediglich bedeutet, daß um acht Uhr morgens niemand mehr in den Sozialämtern zu finden war. Familien, die in Sozialämtern übernachtet hatten, wurden regelmäßig um sieben Uhr geweckt und aus dem Gebäude gewiesen, so daß die Behörde behaupten konnte, sie halte sich an die Vorschriften. Der Richter war anderer Meinung und verhängte eine Buße von 3,5 Millionen Dollar, was Bürgermeister Giuliani mächtigen Ärger bereitete. Aber das ist nicht die Sorte Ärger, die ich meine.

Ich meine auch nicht die Art Ärger, die Giuliani mit Sicherheit empfand, als er sich weigerte, Mittel für neue Schulgebäude zu bewilligen, obwohl die New Yorker Schulen überfüllt sind. Die Volksschule 128 in Washington Heights hat 1.500 Schüler in einem Gebäude, das für 900 gebaut wurde. Die Kinder erhalten Sportunterricht nur einmal in der Woche, wenn überhaupt, und in der überfüllten Kantine ist ein solcher Krach, daß sie häufig schweigend essen müssen. Der Bildungsbeauftragte der Stadt gab an, der gegenwärtige Etat reiche nur für den Unterhalt der bestehenden Schulen aus, und beantragte Mittel für 33 neue Schulen und 17 Erweiterungsbauten für 34.000 neue Schulkinder. In den nächsten fünf Jahren erwartet die Stadt New York 50.000 neue Schulkinder. Giuliani verweigerte die Mittel für Schulbauten und gab gleichzeitig bekannt, er wolle den Bau einer Müllentsorgungsanlage stoppen, in der Abfall in Dünger verwandelt würde. Das heißt, der Müll bleibt, wie er ist, ein ökologisches Chaos, das den Bürgermeister zweifellos ärgert. Aber das ist nicht die Art Ärger, die ich meine.

Ich meine auch nicht die Scham, die Giuliani eine Woche später empfunden haben muß, als er neue Kürzungen im Bildungsbereich ankündigte. Diese Kürzungen würden sich zum ersten Mal nicht auf die Zahl der Verwaltungsstellen auswirken, sondern auf die Lehrer an städtischen Schulen (siehe oben: überfüllte Klassenzimmer). Giuliani hatte behauptet, seine Kürzungen beträfen nur die Schulverwaltung. Schul-Superintendenten in der ganzen Stadt haben gegenüber der Presse bekundet, die Kürzungen würden sie zwingen, Lehrer, Aushilfslehrer und Erziehungsberater zu entlassen. Die Superintendenten legten detaillierte Berechnungen vor, die Giuliani geärgert haben müssen – insbesondere, da die International Assessment of Educational Progress, ein jährlicher vergleichender Bericht über 15 Länder, die amerikanischen Teenager in Naturwissenschaften an die dreizehnte und in Mathematik an die vierzehnte Stelle setzte – hinter Länder wie Südkorea, Taiwan, Ungarn und Slowenien. Aber auch das ist nicht die Art Ärger, die ich meine.

Ich meine den Ärger, den die Reagans in diesen Wochen empfinden müssen, wenn sie ihre Tochter Patti nackt auf der Titelseite des Playboy entdecken. Innen ist sie genauso nackt, auf zehn Seiten voll gerahmter Ekstase neben Pressefotos von ihr mit Mammi und Pappi im Weißen Haus. Patti hat auch eine pornographische Geschichte geschrieben, die der Playboy abgedruckt hat, über John Wayne Bobbitts Penis, und sie hat auch mitgeteilt, daß ihr Pappi den Seinen zu Hause nie herumgezeigt hat. Das ist doch mal eine Nachricht.

Das alles wäre nicht passiert, wenn Ronnie nicht Präsident geworden wäre – ein Präsident obendrein, der Pornographie verdammte und eine Kommmission zu ihrer Bekämpfung ins Leben rief, der das Justizministerium ermunterte, mehr Verfahren wegen erotischen Materials einzuleiten, und der Bundesgelder für fundamentalistische christliche Gruppen übrig hatte, damit sie Sexualkunde-Lehrstoff nach dem Motto „Sag doch einfach nein“ entwickelten (wird inzwischen in 4.000 der 16.000 US-Schuldistrikte verwendet).

Hätte Ronnie einfach weiter für die Kühlschränke von General Electric geworben, dann wäre die Homosexualität seines Sohnes nicht zum Skandal geworden und Patti hätte vielleicht gezögert, ihre Chance im ... Journalismus zu suchen. Aber so geht's, wenn man sich um ein Amt bewirbt. Bleibt nur noch eine Frage: Hat Ollie North auch so hübsche Töchter? Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning