Der Bürgermeister ist rochiert in Ströbeck

■ Ohne die Schachpartei läuft in Ströbeck kommunalpolitisch aber auch gar nichts

Ströbeck (taz) – Zum letzten Mal verschloß gestern Ströbecks Bürgermeister Rudi Krosch die Tür seines Amtszimmers in der Gemeindeverwaltung. Zur Direktwahl des Bürgermeisters bei den Kommunalwahlen des 1.200-Seelen-Dorfs bei Halberstadt in Sachsen-Anhalt tritt er nicht mehr an. Einziger und ungeliebter Kandidat ist ein Sozialdemokrat, der bereits vor der Wende auf dem Bürgermeistersessel saß und dem jetzt mangels Gegenkandidaten seine eigene Stimme zur Wahl reicht. Aber der bisherige Bürgermeister Krosch will auch künftig mitmischen. Der 50jährige kandidiert erneut für den Gemeinderat, und zwar auf der Liste des Schachclubs. Der ist schon seit 1990 stärkste Fraktion im Gemeinderat.

Das königliche Spiel – in Ströbeck ist es Volkssport, und schuld daran ist der Adel. „Irgendwann vor Hunderten von Jahren hielt hier der Bischof von Halberstadt einen wendischen Fürsten gefangen“, weiß der Leiter des Schachmuseums in Ströbeck, Karl Cavek. Und weil der Fürst sich im Knast fast zu Tode langweilte, brachte er das feudalistische Spiel den niedriggeborenen Wärtern bei. Die Lawine, die er damit auslöste, rollt heute noch immer. Die Mitgliedschaft im Schachclub gehört in Ströbeck nicht nur zum guten Ton, sondern ist ein absolutes Muß. Wer das Spiel nicht beherrscht, hat sich sofort als Zugereister enttarnt. In Ströbeck ist Schach sogar in der Schule Pflichtfach.

„Daß wir das gerettet haben, ist wohl unser wichtigster kommunalpolitischer Erfolg“, findet Bürgermeister Krosch. Mächtig gebaggert haben die Ströbecker, bis ihnen der Kultusminister im fernen Magdeburg, vollkommen entnervt, endlich die gewünschte Sondergenehmigung erteilte. Auch sonst bestimmte das Schachspiel die kommunalpolitische Arbeit des Gemeinderates. Krosch ist mit seiner Arbeit der vergangenen vier Jahre zufrieden. „Wir haben die richtigen Weichen für das Dorf und die Wahrung der Schachtradition gestellt.“ Als Bürgermeister will er dennoch nicht antreten, denn künftig soll es unbezahlte Ehrenarbeit sein. Aber in den Gemeinderat wollen Krosch und sein Schachclub auf jeden Fall. Mindestens vier von zwölf Sitzen sind dem Club fast sicher. Aber die Sitz- und Fraktionsverteilung ist ohnehin Nebensache in Ströbeck. Das Schachdorf wird von einer ungeschriebenen parteiübergreifenden Koalition regiert. Denn: „Gegen die Interessen des Schachs und damit des Schachclubs zu stimmen“, da ist sich Krosch sicher, „traut sich hier keiner.“ Eberhard Löblich