Ermittlungen nach Hallenser Art

■ Die Polizei der Saalestadt ließ nach einem ausländerfeindlichen Übergriff die Täter wieder laufen

Berlin (AFP/taz) – Die Polizei im sachsen-anhaltinischen Halle räumte gestern ein, „Fehler“ nach einem Überfall auf einen Asylbewerber begangen zu haben. Wie berichtet, wurde in der Nacht zum Pfingstmontag ein 27jähriger Schwarzafrikaner aus dem Tschad vor der Diskothek „Capitol“ in Halle-Süd mit dem Ruf: „Macht den Neger platt!“ zusammengeschlagen. Eine ihm zu Hilfe kommende 23jährige Touristin aus Erlangen wurde ebenfalls von drei oder vier jungen Männern verletzt. Die Polizei bestätigte gestern einen Bericht der Mitteldeutschen Zeitung, wonach die Täter – nicht, wie sie zuerst behauptete – unerkannt flüchten konnten, sondern daß die Polizei sie nach Feststellung ihrer Personalien laufen ließ. Gegen den Einsatzleiter läuft jetzt ein Disziplinarverfahren. Wie der Polizeisprecher von Halle aber gestern betonte, habe der Beamte die Angelegenheit „nicht vertuschen wollen“, sondern „die Situation lediglich nicht im Griff gehabt“. Er habe „taktische Fehler“ begangen.

Nach Darstellung der Polizei, habe gegen 3.45 Uhr ein Taxifahrer eine Schlägerei gemeldet. Die zwei Minuten später eintreffende Polizei habe eine Person am Boden liegen sehen und deren Personalien sowie die Adressen von acht um sie herumstehenden „Jungerwachsenen“ aufgenommen. Der Verletzte habe behauptet, daß er von einem Afrikaner angegriffen worden sei, aber keine Anzeige erstatten wolle. Auf der Suche nach Zeugen sei der Polizei aber in der Diskothek „Capitol“ eine andere Version berichtet worden. Danach habe sich die Angelegenheit genau umgekehrt zugetragen. Der Schwarzafrikaner sei von Deutschen unter „Sieg Heil!“-Rufen blutig geprügelt worden. Daraufhin habe die Polizei, so die offizielle Darstellung, die Straße abgesperrt und sei den jungen deutschen Männern in ihren Treffpunkt – eine Kellerbar in der Nähe – hinterhergerannt. Weil die Polizei es aber versäumte, auch den Hinterausgang des Lokals abzusperren, konnten die mutmaßlichen Täter entwischen.

Die Polzei räumte ebenfalls ein, daß die mutmaßlichen Täter Sympathisanten von Rechtsradikalen seien. Der Inhaber der Kellerbar sei ein stadtbekannter Freund der Deutschen Liga. Noch sei aber nicht erwiesen, ob er auch der Anführer der Schlägeraktion gewesen sei. Aktiv beteiligt war aber nach übereinstimmenden Zeugenaussagen der von der Polizei am Boden liegend gefundene 25jährige deutsche Mann gewesen. Nach ihm wird jetzt gesucht.

Auch in einem anderen Fall ließ Sachsen- Anhalts Polizei Rechtsradikale wieder laufen: 33 Männer und Frauen, die am Pfingstsonntag auf einem Zeltplatz bei Magdeburg Hitlergrüße und Reichskriegsflaggen gezeigt hatten, sind wieder auf freiem Fuß. Für einen Haftbefehl reichte das, nach Ansicht des ermittelnden leitenden Oberstaatsanwaltes, Rudolf Jaspers, nicht aus. aku