■ Ein Zombie im Kampf gegen die Behörden:
: Wer einmal stirbt, der bleibt auch tot

Magdeburg (taz) – Ulrich Frannek ist tot. Gestorben im Jahr 1988. Nur konnte dem heute 38jährigen bislang niemand genau sagen, wo er zur letzten Ruhe gebettet wurde und vor allem, wer für seine Bestattungskosten aufkam. Das würde er aber schon gerne wissen, denn eigentlich fühlt sich Frannek quicklebendig. Sein vorzeitiges Ableben wird amtlich dokumentiert durch das Übergabeprotokoll für seine Wohnung an seine „Nachmieterin“ in Beetzendorf im Landkreis Klötze in Sachsen-Anhalt. „Stellen Sie sich das mal vor“, sagt er. „Sie kommen nach längerer beruflicher Abwesenheit nach Hause und stellen plötzlich fest, daß der Schlüssel nicht mehr paßt und an der Tür ein fremder Name steht.“ Genauso ging es Frannek vor drei Jahren. Der Zivilangestellte der damaligen NVA und heutigen Bundeswehr konnte über längere Zeit nicht von seinem Dienstort Strausberg bei Berlin weg. Die Wohnung in Beetzendorf, wo er bis heute gemeldet ist, stand leer. Seine Mutter, mit der Frannek dort seit 1983 zusammengewohnt hatte, war 1988 gestorben. Der Sohn offenbar gleich mit ihr, dachte sich 1990 der verantwortliche Offizier der NVA-Grenztruppen, ließ die Wohnung aufbrechen, leerräumen und vermietete sie weiter. Die gesamte Einrichtung landete auf dem Müll. Die NVA- Grenztruppen gingen in der Bundeswehr auf, ihre Immobilien fielen erst an die Verwaltungsgesellschaft CeWo, später an das Bundesvermögensamt. Und von dem will Frannek jetzt nicht nur wieder für lebendig erklärt werden, sondern auch Schadensersatz kassieren. Aber die Behörde will mit der Sache gar nichts zu tun haben. Zwar sei es richtig, daß die CeWo GmbH mit dem gesamten Immobilienbesitz der Grenztruppen in das Bundesvermögensamt eingegliedert wurde, gibt der Leiter der Außenstelle Magdeburg des Bundesvermögensamtes, Manfred Stumpf, zu. „Aber das heißt noch lange nicht, daß wir damit zum Rechtsnachfolger der CeWo oder gar der NVA geworden sind.“

Tatsächlich war es noch die NVA, die die Wohnung kurz vor der Wierdervereinigung aufbrechen und leerräumen ließ. Aber als der verantwortliche Offizier das Wohnungsübergabeprotokoll an Franneks „Nachmieterin“ unterzeichnete, trug er bereits das Bundeswehrkäppi. Und bis zum März 1991 buchte das Bundesvermögensamt, mittlerweile Verwalter der Wohnung, die Miete von Franneks Konto ab. Dieses zuviel abgebuchte Geld soll der von der Behörde zum Zombi Gemachte jetzt zurückbekommen. Ansonsten lehnt die Behörde jeglichen Schadenersatz ab. „Klagen Sie doch“, hört Frannek stets als Antwort auf seine entsprechenden Forderungen. Aber genau das fällt ihm schwer, denn der Totgesagte ist in Beweisnot. „Um die Höhe des entstandenen Schadens zu belegen, müßte ich den Wert der Wohnungseinrichtung und des übrigen Besitzes nachweisen“, sagt er. „Aber wie, wenn mit der Einrichtung auch alle Quittungen, Kaufbelege und andere Unterlagen auf dem Müll gelandet sind?“

Aus seiner Not hat Frannek inzwischen einen Nebenerwerb gemacht. Er gründete „Serapis/Proserpina – Büro zur Wahrung der Interessen amtlich toterklärter Lebender“. Mit diesem Büro will er all denen helfen, die durch einen Verwaltungsakt der Behörden für tot erklärt wurden und im richtigen Leben darunter leiden. Zunächst hilft er mit seinem Büro aber erst mal sich selbst. Alles, was mit seinem Fall zusammenhängt, wickelt er über das Büro ab. „Das stellt mir dann eine Rechnung aus, und den Betrag kann ich steuermindernd geltend machen“, grinst Frannek. „Für irgend was muß doch eine solche Toterklärung nützlich sein.“ Und sei es nur zum Steuernsparen. Eberhard Löblich