Enteignung von Nazi-Aktivisten rechtmäßig

■ Verwaltungsgericht verneint Restitutionsanspruch an enteignetem Grundstück

Berlin (dpa/taz) – Ein schwarzer Tag für die IG-Farben wie für das Haus Hohenzollern, Anlaß zur Freude für den Berliner Senat wie für die Bundesregierung. Das Berliner Verwaltungsgericht lehnte am Montag die Restitution des Grundstückes Bernauer Straße 29 ab (Az.: VG 25 A 265.93). Es verbleibt damit im Besitz der öffentlichen Hand. Dem Urteil kommt Präzedenzwirkung zu, denn bei dem Areal in Berlin-Mitte handelt es sich um ein Objekt der „Liste3“, einem von insgesamt 598 Unternehmen und 991 Vermögenspositionen, die aufgrund des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Nazi-Aktivisten vom 8. Februar 1949 enteignet wurden. Gegen das Urteil wurde ausdrücklich Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Falls die Entscheidung vor dem höchsten Verwaltungsgericht Bestand hat, würden Grundstücke und Unternehmen im Wert von 40 Milliarden Mark in Berlin grundsätzlich Eigentum des Staates bleiben.

Nach Angaben des Vorsitzenden Richters Klaus Pee war die 25. Kammer des Verwaltungsgerichts der Auffassung, daß die Enteignungen nach der Liste3 auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage beruhten. Die Vermögenswerte müßten nicht zurückgegeben werden. Im vorliegenden Fall ging es um die Enteignung einer Buchdruckerei. Das inzwischen abgerissene Haus und das Grundstück waren kurz nach dem Krieg beschlagnahmt und als enteignetes Eigentum von Kriegsverbrechern und Nazi-Aktivisten entschädigungslos in Volkseigentum übergegangen. Die Klägerin hatte die Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz beantragt, da die Liste3 erst am 2. Dezember 1949, also nach Gründung der DDR, veröffentlicht worden war. Nach ihrer Ansicht ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Liste3 maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der Enteignung. Da die DDR am 7. Oktober gegründet wurde, könne die danach erfolgte Enteignung nicht mehr als besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Akt angesehen werden.

Das Vermögensgesetz sieht vor, daß Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nicht rückgängig gemacht werden. Dies wurde bereits am 15. Juni 1990 in einer gemeinsamen Erklärung zwischen der DDR und der Bundesrepublik vereinbart. Beide Seiten entsprachen damit einer Forderung, die die Sowjetunion in den „2+4“-Verhandlungen erhoben hatte. Die ehemalige Besatzungsmacht wollte die unter ihrer Hoheit durchgeführten Enteignungen nicht zur Disposition der beiden deutschen Staaten stellen, ein Anliegen, das auch dem Interesse der De-Maizière-Regierung entsprach, da ansonsten die Vermögensverhältnisse in der DDR „auf den Kopf gestellt würden“. Das Bundesverfassungsgericht hat am 23. April 1991 entschieden, daß dieser Ausschluß der Restitution mit der Verfassung vereinbar ist. In den neuen Bundesländern bleiben damit die Enteignungen zwischen 1945 und 1949 bestehen. In Berlin hingegen war strittig, ob ein überwiegender Teil der Enteignungen, die auf der Liste3 aufgeführt sind, rückgängig zu machen ist, weil diese Liste erst nach Gründung der DDR im Verordnungsblatt für Groß-Berlin veröffentlicht wurde. Diese Rechtsauffassung hatte bereits die 21. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichtes vertreten und im Januar 1993 dem Hertie-Konzern den Anspruch auf ein ehemaliges Wertheim-Grundstück zugesprochen. Der Fall führte damals nicht zu einem höchstrichterlichen Urteil, weil die Prozeßparteien sich auf einen Vergleich einigten.

Der Berliner Senat hatte sich nach anfänglichem Zögern darauf festgelegt, daß die Enteignungen rechtmäßig gewesen seien, da das zugrunde liegende Gesetz zweifelsfrei noch vor Gründung der DDR in Kraft getreten sei und auch die Vorbereitungen für die Liste3 in den Zeitraum vor dem 7. Oktober 1949 fallen. Es sei reiner Zufall, daß die Liste erst nach Gründung der DDR veröffentlicht worden sei. Der Vorsitzende der 25. Kammer, Richter Klaus Pee, verwies am Montag in seinem Urteil auf den Wortlaut des Vermögensgesetzes, wonach eine Rückübertragung nicht für Enteignungen auf „besatzungsrechtlicher Grundlage“ gelte. Diese Formulierung lasse daran denken, daß sich das Gesetz nicht auf direkte Enteignungen durch die Besatzungsmacht beschränke.

Die im Dezember 1949 vom Ost-Berliner Magistrat veröffentlichte Liste3 lasse sich auf einen Befehl der Sowjetischen Militäradministration zurückverfolgen. 1947 seien für die sowjetische Besatzungszone Enteignungsgesetze erlassen worden, die jedoch in Berlin wegen des Widerspruchs der drei West-Alliierten nicht umgesetzt werden konnten. Erst nach der Spaltung der Stadt 1948 sei dies nachgeholt worden. Warum die Liste3 nicht mehr bis zur Gründung der DDR erstellt worden sei, lasse sich heute nicht mehr feststellen. Der Anwalt der Klägerin will nun in Revision gehen. dr