GSG 9 von „Konkret“ beleidigt

■ Vergleich mit südamerikanischen Todesschwadronen / Redakteur freut sich schon auf das Gerichtsverfahren

Berlin (taz) – Die GSG 9 ist beleidigt. Gegen den verantwortlichen Redakteur der Hamburger Zeitschrift Konkret, Wolfgang Schneider, stellten die ansonsten nicht so mimosenhaften Jungs der Staatsschutz-Sondereinheit Strafantrag wegen „Beleidigung“. Das Amtsgericht der Hansestadt erließ daraufhin einen Strafbefehl über 3.000 Mark (ersatzweise 30 Tage Haft) gegen Schneider.

Anlaß ist ein Artikel, den der Autor Oliver Tolmein im vergangenen August zur GSG-9-Kommando-Aktion von Bad Kleinen veröffentlichte. Tolmein hatte seinerzeit gemutmaßt, es spreche „immer mehr dafür, daß es sich bei den Todesschüssen in Bad Kleinen keineswegs um eine Tat im Affekt oder um das Durchdrehen eines einzelnen Beamten gehandelt hat, sondern um eine von der Einsatzleitung mindestens billigend in Kauf genommene, wenn nicht sogar gewünschte Ermordung eines linken Staatsfeindes“. Die Umstände der Vernehmung der GSG-9-Beamten (anonym und nur mit Nummern gekennzeichnet) ließen die Truppe zudem „als eine Art Todesschwadron erscheinen“.

Schneider will nun beweisen, daß Tolmeins Einschätzung im letzten Sommer so abwegig nicht war, wie die beleidigten Grenzschützer glauben machen. Sein Kronzeuge: Manfred Kanther. Der Innenminister hatte Anfang März im offiziellen Schlußbericht der Bundesregierung zum besten gegeben, daß „das Aussageverhalten der [GSG-9-]Beamten zunächst den Verdacht [nährte], der tödliche Schuß sei nicht von Grams selbst abgegeben worden. Dieser Verdacht wurde nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sowohl durch die zurückhaltende Informationsweitergabe der beteiligten Sicherheitsbehörden als auch durch die [...] zunächst eingeschränkte Aussagegenehmigung der Polizeibeamten weiter gestützt.“

Nach diesem „staatsoffiziellen Erkenntnisstand“, meint Schneider, könne kaum als „beleidigend“ bestraft werden, was Kollege Tolmein im Juli 1993 niederschrieb. Die Konkret-Anwälte haben Beschwerde gegen den Strafbefehl eingelegt, freuen sich aber schon jetzt auf eine mündliche Verhandlung, die Anlaß zu vielen schönen Beweisanträgen geben könne. gero