Die CSU auf der Flucht nach rechts

Die bayerische CSU setzt im Kampf ums Überleben bei den Europa- und Landtagswahlen auf Populismus und „rechte Themen“ wie die „Ausländerfrage“  ■ Von Bernd Siegler

„Da muß ausgemistet werden“, haut der schwäbische CSU-Vize Anton Dietrich auf den Tisch. Wenn das so weitergehe, „können wir uns den Landtagswahlkampf sparen“, sekundiert der Günzburger CSU-Kreisvorsitzende Berkmüller. An der Basis der CSU rumort es. Auf die Kanzleiaffäre um Ex-Umweltminister Peter Gauweiler folgte nahtlos der Testaments-Skandal von Strauß und Streibl. Die Affäre um die Steuerschulden des niederbayerischen Bäderkönigs Zwick, in die am Rande Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und im Kernbereich der Ex-Finanzminister und jetzige CSU-Vize Gerold Tandler verstrickt sind, ist noch lange nicht ausgestanden.

„Wir haben den Mut, auch populistisch zu sein“, bereitet da CSU-Generalsekretär Erwin Huber die Flucht nach vorne vor. Nach vorne heißt für die CSU nach rechts. Denn die Angst vor den Reps sitzt ihr im Nacken. Die seit Jahrzehnten satte Mehrheiten gewohnte bayerische Regierungspartei droht in der bundesweiten Bedeutungslosigkeit zu versinken. Um bei den Europawahlen die Fünfprozenthürde überspringen zu können, benötigt die CSU in Bayern knapp 43 Prozent der Stimmen. Exakt bei diesem Anteil rangiert die Partei bei den derzeitigen Umfragen. Bei den letzten Europawahlen hatten die Reps in Bayern 14,6 Prozent erzielt. Im September geht es dann bei den Landtagswahlen für die CSU ums Ganze. Für die CSU ist ein Ergebnis von über 50 Prozent in Bayern „überlebensnotwendig“, betont Bayerns Innenminister Beckstein.

Die Wahlen würden mit „Themen rechts von der Mitte“ gewonnen, schwört CSU-Parteichef Theo Waigel deshalb die Basis ein. Dazu gehörten nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern auch Innere Sicherheit, die „Angst vor Überfremdung“ und die „nationale Identität“, betont Waigel. Daß die CSU damit Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen schütte, läßt er nicht gelten. „Wenn Herr Schönhuber zufällig mal sagen sollte, daß zwei mal drei sechs ist, kann ich nicht umhin, ihm zuzustimmen“, so der CSU-Chef.

Wenn Waigel ehrlich wäre, müßte er zugeben, daß sich solche Zustimmungen längst nicht mehr nur auf die Grundregeln der Algebra beziehen. Gerade in Becksteins Lieblingsbereich, der Inneren Sicherheit, sind CSU-Programmatik und der Forderungskatalog der Reps voll und ganz kompatibel. Ob „milieugerechtes Verhalten verdeckter Ermittler“ oder „großer Lauschangriff“, ob kurze und schnelle Prozesse oder Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts, die Forderungen des im Januar dieses Jahres vorgelegten „15-Punkte-Programms der Bayerischen Staatsregierung zur Inneren Sicherheit“ finden sich nahezu wortgleich im neuen Rep-Parteiprogramm. Selbst die uralte Rep- Forderung nach einer lebenslangen Freiheitsstrafe für Drogendealer („Sie sind Mörder auf Raten“), findet sich im CSU-Katalog. Beide Parteien wollen zudem eine Rücknahme der „überzogenen“ Datenschutzregelungen. Auch bei der Analyse von Brutalität und Kriminalität stehen sch CSU und Rep in nichts nach. Innenminister Beckstein macht den „Werteverfall durch die 68er Kulturrevolution“ verantwortlich, die Reps die „marxistisch indoktrinierte kulturelle Revolution seit 1968“, die zu einer „Infragestellung nahezu aller überkommenen Werte- und Ordnungsvorstellungen beigetragen“ habe.

Besonderen Raum nimmt bei CSU wie Reps die Verknüpfung der Frage der Kriminalität mit der Einwanderung ein. „Die ethnische Zugehörigkeit der Täter darf nicht verschleiert werden“, heißt es bei den Reps. Innenminister Beckstein beharrt nachdrücklich auf den Zahlenspielereien zur „Kriminalitätsbelastung der ausländischen Bevölkerung“ in der Kriminalstatistik. Fordern die Reps „zwingende Abschiebung“ bei Straftaten und Asylmißbrauch, heißt es bei der CSU „Verschärfung des Ausländergesetzes, um kriminelle Ausländer zwingend ausweisen zu können“.

Beide Parteien sehen Einwanderung als ökologisches Problem. „Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist nur möglich, wenn die Bevölkerungszunahme durch Einwanderung beendet wird“, heißt es im Rep-Programm. Zum Vergleich das aktuelle CSU- Programm: „Wer unser ohnehin schon dicht besiedeltes Land zum Einwanderungsland machen will und darauf verzichtet, den Zuzug zu begrenzen, gibt das umweltpolitische Ziel, den Flächenverbrauch zu begrenzen, auf.“

Man könne eine Partei nicht nur nach ihrem Programm beurteilen, betont Innenminister Beckstein bezüglich der Reps. Doch die öffentlichen Äußerungen führender CSU-Politiker sprechen Bände. Ingo Friedrich, CSU-Spitzenkandidat für die Europawahlen, warnte vor dem „Heranrücken der asiatischen Mentalität“, vier Tage vor dem mörderischen Anschlag in Solingen gab der Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, zum besten: „Für unsere Bevölkerung ist die Schmerzgrenze schon seit langem überschritten [...] Weitere Belastungen sind unzumutbar.“ Im November traf sich Max Streibl dann mit Rep-Chef Schönhuber. Während Edmund Stoiber Schönhuber als „politischen Rattenfänger“ brandmarkte, holte sich die Augsburger CSU so lange ungeniert ihre Mehrheiten im Rathaus bei den Reps, bis der CSU-Landesvorstand dem Treiben ein Ende bereitete.

Mit dem Slogan „Europa ja – Maastricht nein!“ hoffen die Reps bei den Europawahlen und den Landtagswahlen nach wie vor auf ein zweistelliges Ergebnis. Die Versuche der CSU, am rechten Wählerrand zu fischen, bezeichnet Schönhuber als einen „Akt der Schwäche und Verunsicherung“. Die CSU habe zudem „weite Teile“ des Rep-Programms abgeschrieben. „Heuchlerisch“ nennt Schönhuber die Distanzierung der CSU von den Reps. „Ich habe weiter Kontakt mit hochrangigen CSU-Politikern“, betont der Rep- Chef. „Aber nachdem meine Telefongespräche mit Streibl vom Verfassungsschutz abgehört und als parteiinterne Waffe gegen den früheren Ministerpräsidenten mißbraucht wurden, wird bei den Zusammenkünften noch mehr Vorsicht angewendet.“