Wer kriegt den Schwarzen Peter?

Der politische Aschermittwoch in Bayern war dieses Jahr mehr als nur politisches Ritual. Die „Staatspartei“ CSU muß erstmals seit Jahrzehnten um ihre absolute Mehrheit fürchten, die „Republikaner“ sehen ihre Stunde gekommen.

Dies ist heute der größte Tag der Republikaner.“ Franz Schönhuber, Chef der rechtsextremen „Republikaner“ (Reps), ist rundum zufrieden. „12.000 sind wir hier, in Passau sind nur 4.000“, beginnt seine Abrechnung mit der bayerischen Regierungspartei, die nach Passau zum Politischen Aschermittwoch geladen hatte. Dort füllen in Wahrheit zwar gut 8.000 CSU-Anhänger die Nibelungenhalle und Schönhuber mußte auf ein ganz besonderes „Stück Deutschland“, einen gefrorenen Acker im niederbayerischen Absdorf ausweichen, auf dem Parteifreunde ein beheiztes Zelt mit einem Fassungsvermögen von 6.500 Menschen aufgebaut haben. Für den 71jährigen Reps-Chef ist das jedenfalls „der Tag der Wende“.

Schönhuber nutzt seinen Zeltauftritt, um mit der CSU, den „schwarzen Brüdern im Maximilianeum“, hart ins Gericht zu gehen. Drei Monate nachdem der geschaßte bayerische Ministerpräsident Amigo Max Streibl den Reps- Chef zum Gespräch empfangen hatte, schießt sich Schönhuber auf Streibl-Nachfolger Edmund Stoiber ein. Streibl sei ein „Ehrenmann“, ein „untadeliger Demokrat“, während Stoiber den Verfassungsschutz „politisch mißbraucht“, um die Reps auszuforschen. „Stoiber, zieh Dich warm an“, rief Schönhuber vor seinen begeisterten Anhängern aus, „den hau i ung'spitzt in Boden nei“. Der Reps- Chef erwartet ein zweistelliges Ergebnis bei den Europawahlen, den Einzug in den Bundestag und daß die Reps drittstärkste Partei im bayerischen Landtag werden.

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Derweil beschwört CSU-Parteichef Waigel rund 30 Kilometer weiter südlich die Wähler, ihre Stimmen nicht an rechtsextreme oder Splitter-Parteien zu geben. Ein „momentanes Ätsch“ am Wahlabend nütze nichts, wenn mit der Stimmabgabe vier Jahre Demokratie „versaut“ würden, so der Bundesfinanzminister in der Passauer Nibelungenhalle beim Politischen Aschermittwoch der CSU. Jeder Form der Zusammenarbeit mit den „Republikanern“ erteilte Waigel eine klare Absage. Ganz um das Treffen zwischen dem ehemaligen Ministerpräsidenten Streibl und Reps-Chef Schönhuber („Saublöd“, so der CDU-Abgeordnete Horst Eylmann) konnte er sich aber nicht drücken: Wenn sich ein CSU-Politiker mit Reps treffe, sei das seine Privatsache, beschied Waigel die CSU-Fans.

1994 bezeichnete Waigel als ein „Schicksalsjahr der deutschen Geschichte“. Es werde entschieden „für oder gegen den Frieden, für oder gegen Stabilität, Wohlstand und Arbeit“. Es werde auch entschieden, ob erneut der erfolgreiche Bundeskanzler Helmut Kohl oder „ein Lehrling“ Regierungschef werde.

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Daß insbesondere Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, den Besuch von Schönhuber im Hause Streibl scharf als „gefährliche Aufwertung“ extremer Parteien kritisiert hatte, nutzt Schönhuber in Absdorf als Gelegenheit für antisemitische Ausfälle. „Muß ich zittern oder die Hand vorhalten, wenn Herr Bubis hustet“, tönt Schönhuber. „Fünfzig Jahre Demut und Herumschleichen“ seien genug. Er habe keine Angst vor dem „selbsternannten obersten Sittenwächter der Nation“. Er wolle keinen neuen Judenhaß, betont der selbsternannte „Erneuerer des zu Tode liberalisierten Deutschlands“, um dann genüßlich die „jüdischen Mitbürger Gregor Gysi, Markus Wolf, Stefan Heym und Alexander Schalck-Golodkowski“ anzuführen.

Die meiste Zeit verwandte Schönhuber, um seine Reps als politisch Verfolgte darzustellen. Märtyrertum, das schweißt die eigens am Eingang mit Deutschland- Fähnchen bestückte Anhängerschaft zusammen und reißt sie zu rhythmischen „Schönhuber“-Rufen hin. Verfolgt fühlen sich die Reps von den Medien, von Ausländern und von den etablierten Parteien, insbesondere von der CSU. In deren Spitze seien von „100 Leuten 99 Verräter“. Die CSU sei „mehr mit Mafia und Cosa Nostra als mit der Politik verstrickt“. Auch Franz-Josef Strauß, den Schönhuber ansonsten immer gern als nationales Vorbild erwähnt, ist jetzt in seinen Augen ein Verräter. Strauß habe sich „Jahre und Jahrzehnte am Rande des Landesverrats bewegt“. Mit so einer Partei wollen die Reps nicht zusammenarbeiten.

Eher schon mit Peter Gauweiler. Der Reps-Chef betont zwar, daß es bisher „keine Gespräche mit diesem Herrn“ gegeben hätte, aber der vorübergehend aus dem Verkehr gezogene bayerische Umweltminister sei zweifelsohne ein „politisch besserer Kopf“ als Stoiber. Schließlich habe Gauweiler die europapolitischen Reps-Forderungen übernommen. Mit einem Seitenhieb grenzte sich Schönhuber gleich von dem Maastricht-Kritiker Manfred Brunner ab. Der habe „jahrelang als hochbezahlter Beamter die Maastricht- Suppe mitgekocht“.

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„Wer in der Politik versucht, es allen recht zu machen, wird bald everybody's Depp sein“, erklärt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber zum Fall Gauweiler. Stoiber vermeidet es, den umstrittenen Umweltminister Peter Gauweiler direkt zum Rücktritt aufzufordern. „Es gibt in der Politik Situationen, wo das persönliche Interesse hinter dem Gesamtinteresse der Mannschaft zurückstehen muß. Das weiß auch Peter Gauweiler“, sagt Stoiber. Eine ausführliche Erklärung der Umstände überläßt Stoiber Gauweiler selbst, der am Abend in München seinen Politischen Aschermittwoch begeht. „Jetzt red I“, lautet das Motto seiner Veranstaltung. „Jetzt red I“, so lautete auch der Titel der Radiosendung mit Franz Schönhuber vor Jahr und Tag im bayerischen Rundfunk – ein Zufall? Die größte Angst der CSU bis dato: Gauweiler könnte sich womöglich von den Christsozialen ab- und der „Bürgerpartei“ Brunners oder gar den „Republikanern“ zuwenden.

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Schönhuber glaubt fest an den Erfolg der Reps im Wahljahr 1994, schließlich ist er überzeugt, daß er „vom Schicksal ausersehen“ sei, dem „deutschen Volk zu helfen“. Da er mit den etablierten Parteien nichts zu tun haben will, werde sich in Deutschland nur etwas „mit der absoluten Mehrheit“ der Reps ändern. Bei solchen Worten und Visionen schmeckt den 7.000 die Maß und die Weißwurst, und beim abschließenden Schmettern der Nationalhymne fliegt beim einen oder anderen reflexartig der rechte Arm nach oben. Bernd Siegler/klh