Zivile lösungen finden!

■ Der 1. September - (k)ein Antikriegstag? Mit dem Teilen unseres Reichtums beginnen!

Zivile lösungen finden!

Der 1. September — (k)ein Antikriegstag? Mit dem Teilen unseres Reichtums beginnen!

Die machtvollen Demonstrationen zum Antikriegstag sind vorbei. Hatten einst die Gewerkschaften mobilisiert, so begnügen sie sich heute mit einem „Pflichtbeitrag“ und mögen die eigentlichen Ursachen, die weltweit und im inneren unseres Landes die Voraussetzungen für Konflikte und Kriege schaffen, nicht mehr beim Namen nennen. Es darf marschiert werden!

Die spärlich besuchte Veranstaltung im DGB-Haus „Was tun für Bosnien?“ machte deutlich, daß die Ursachen und die Entstehung von Konflikten und die sie auslösenden Kettenreaktionen nicht gefragt sind. Soll humanitäre Hilfe in Bosnien mit Waffengewalt oder ohne sie praktiziert werden? Sollen nicht doch endlich von der Uno beauftragte Truppen in diesen Krieg eingreifen, wenigstens begrenzt die Aggressionen angreifen? Darf Europa ins Mittelalter zurückfallen, und müssen wir nicht daher gerade in Bosnien eingreifen, wie Marieluise Beck meint? Oder sind wir aufgefordert, an diesem Antikriegstag darüber nachzudenken — und das auch am Beispiel Bosnien — ob wir unser angekündigtes Umdenken zum weltweiten Teilen unseres Reichtums endlich beginnen müssen, um der Flucht in ethische Lösungen, in Nationalismen und den Fundamentalismus begegnen zu können und die miltiärische Gewalt als letztes Mittel nicht schon wieder zu benutzen, wie Gunther Hilliges fordert?

Daß die Betroffenen selbst eine schnelle friedliche Lösung erwarten und sei es mit „Gewalt“, ist verständlich. Das darf uns Deutsche doch aber nicht dazu verleiten, wieder in Großmachtpolitik zu verfallen und mit unserer militärischen Präsenz Stärke zu zeigen?

Obwohl das weltweite Mediennetz uns den letzten Winkel dieser Welt nahebringen kann, sind wir sehr einseitig informiert und unser Wahrnehmungsvermögen ist partiell und regierungsamtlich ausgerichtet. Das begann mit der Anerkennung Kroatiens im ehemaligen Jugoslawien und endet bei den „Eingriffen“ der europäischen Verhandlungsführer zur Aufteilung Bosniens. (Warum hat man die Konfliktparteien nicht gezwungen, eine multikulturelle Lösung in Bosnien zu finden?) Das setzt sich fort bei den „neuen Aufgaben“ der Bundeswehr, der Verharmlosung des Rechtsextremismus, der zunehmenden und den Rechtsextremismus mitverursachenden Arbeitslosigkeit.

Kümmern sich unsere Medien denn gar nicht um die Unterstützung der oppositionellen und demokratischen Kräfte in den Konfliktgebieten, um uns dadurch ein differenzierteres Meinungsbild zu ermöglichen? Kann man sich noch leisten, die globalen Konfliktursachen als „Quatsch“ zu bezeichnen, weil sie den konkreten einzelnen Konflikt in Bosnien nicht lösen helfen? Werden wir demnächst die Regenwälder mit UNO-Truppen schützen müssen (der UNO unterstellte nationale Armeen aus der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten), um das Überleben der Reichen und die Festung Europa zu garantieren? Ein guter Arzt bekämpft doch nicht die Krankheitserscheinung. Er wird eine vernünftige Diagnose stellen und die Ursachen beseitigen.

Wenn wir — was diese Veranstaltung deutlich machte — im Grunde als Außenstehende hilflos sind, dann sollten wir diese Hilflosigkeit am Antikriegstag nutzen, um darüber nachzudenken, wer die eigentlichen Kriegsgewinnler sind. Politische und wirtschaftliche Machtkonzentrationen helfen den Reichen und Mächtigen noch immer. Für diese Besitzstandswahrung lassen wir Waffen produzieren, große und teure Militärapparate bestehen und immer neu ausrüsten, exportieren den Überschuß an Kriegsmaterial in die ärmsten Regionen, in denen die Bevölkerung vergeblich versucht, das Überleben zu leben.

Wenn Gustav Heinemann in einer eindrucksvollen Rede am Antikriegstag, zum 30. Jahrestag 1969, sagte, daß der Krieg kein Naturgesetz sei, sondern das Ergebnis menschlichen Handelns, daß das aber auch für den Frieden gelte und deshalb die Deutschen aufforderte, sich der Erforschung des Friedens zu widmen, nach neuen, Sozialordnungen und Herrschaftsformen zu suchen, um alten Vorurteilen begegnen zu können, dann ist dafür die Zeit reif. Wir müssen zivile Lösungsformen finden. Armin Stolle