Nach dem Eklat um den Rudolf-Heß-Gedenkmarsch durch Fulda, bei dem etwa 500 Neonazis mit Fahnen der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) aufmarschierten, fordern mehrere Innenminister ein Verbot der rechtsextremen Partei. Die FAP ist ein Auffangbecken für verbotene Organisationen. Von Bernd Siegler

„Radikal, kämpferisch, konsequent“ — gewalttätig

„Seid froh, daß ich 1933 nicht dabeigewesen bin. Wenn ich da ein Maschinengewehr gehabt hätte, ich hätte Leute wie euch aus der Uniform geschossen.“ Der 64jährige Friedhelm Busse ist außer sich. Er ist Chef der rechtsextremen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) und will sich seinen Bundesparteitag am 10. Juli in Thüringen nicht von ein paar Polizeibeamten stören lassen.

Solche Äußerungen dienen Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) als Munition, um nach dem Eklat um den Rudolf- Heß-Gedenkmarsch durch Fulda ein Verbot der militanten rechtsextremen Partei zu fordern. Beckstein steht mit seiner Forderung nicht alleine da. Auch seine Kollegen aus Brandenburg, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen fordern ein Verbot der FAP, die ihrer Meinung nach „systematisch den Boden für die entsetzlichen fremdenfeindlichen Gewalttaten vorbereitet“.

1978 wurde die FAP von dem ehemaligen Hitlerjugend-Führer und späteren NPD-Mitglied Martin Pape in Stuttgart gegründet. Pape bemühte sich zwar, seiner Organisation einen verfassungstreuen Anstrich zu geben, intern arbeitete er jedoch mit den Altnazis Thies Christopherson und Otto Ernst Remer zusammen und fand lobende Worte für militante Neonazis wie den Wehrsportgruppen- Chef Karl-Heinz Hoffmann oder Michael Kühnen. Im Dezember 1983 verbot der damalige Bundesinnenminister Zimmermann (CSU) die Kühnen-Organisation „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS/NA). Kühnen selbst trat zwar der FAP nie bei, zeigte jedoch Verständnis dafür, „wenn Kameraden diese Möglichkeit nutzen, um politisch legal zu arbeiten“. Die FAP wurde fortan zum Auffangbecken nicht nur für ehemalige ANS/NA-Aktivisten, sondern auch für Kämpfer der im Januar 1982 verbotenen „Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/ Partei der Arbeit“ (VSBD/PdA).

Nach einer wilden Schießerei mit der Polizei in München Ende 1991 wurden zwei Neonazis getötet und mehrere VSBD/PdA-Aktivisten festgenommen, darunter auch ihr Chef Friedhelm Busse – ein seit den 50er Jahren aktiver Rechtsextremist. Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a) klagte die Bundesanwaltschaft die Truppe an, die als „Kommando Omega“ Sprengstoffanschläge und Banküberfälle geplant hatte. Busse hatte Glück. Er wurde nur wegen Hehlerei, Waffen- und Sprengstoffbesitz zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Als strafmildernd wertete es das Münchner Oberlandesgericht, daß Busse aus „falsch verstandener kameradschaftlicher Gesinnung“ die Kommandomitglieder bei sich habe wohnen und den Sprengstoff in seiner Garage habe lagern lassen. Seit 1988 ist der Mann mit der richterlich attestierten „kameradschaftlichen Gesinnung“ der Vorsitzende der FAP.

Zuvor wurde die FAP nach dem Übertritt militanter Neonazis eine der bedeutendsten rechtsextremen Organisationen in Deutschland. Schon 1985 forderte die SPD- Landtagsfraktion in NRW von der Landesregierung, die Voraussetzungen für ein Verbot zu prüfen, um über den Bundesrat einen entsprechenden Antrag beim Bundesverfassungsgericht stellen zu können. Innenminister Zimmermann und sein Staatssekretär Spranger wehrten ab, da „bei Gesamtwürdigung eindeutig rechtsextremistische Tendenzen nicht festgestellt werden“ könnten. Nachdem 1987 knapp 300 Ermittlungsverfahren gegen FAP-Mitglieder und -Anhänger wegen rechtsextremer Straftaten eingeleitet wurden, forderten im Juni 1988 die SPD-Fraktionschefs von Bund und Ländern ein Verbot der FAP – ebenfalls ohne Wirkung.

Inzwischen hatte jedoch der kometenhafte Aufstieg der FAP in der rechtsextremen Szene ein jähes Ende. Der erbitterte szeneninterne Streit um die Homosexualität insbesondere von Michael Kühnen rieb die FAP auf. Sie war in zwei Flügel gespalten. Schon 1987 hatten fast alle Anhänger von Martin Pape die Partei verlassen, auch der Kühnen-Flügel orientierte sich nach der Haftentlassung seines Chefs neu. Nutznießer der Entwicklung war Friedhelm Busse. Er übernahm im Herbst 1988 den Parteivorsitz. Kühnens erfolgreiche Rekrutierung neuer Mitglieder in der ehemaligen DDR und Busses anhaltende Hetze gegen die Kühnen-Truppe isolierten die FAP zusehends im rechtsextremen Lager. Von 1987 bis 1991 ging deren Mitgliederzahl von 500 auf etwa 150 zurück – nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Doch noch immer waren FAP- Mitglieder an der Spitze bei Ausschreitungen und Gewalttaten dabei. FAP-Funktionär Christian Malcoci war beim Pogrom in Rostock-Lichtenhagen ebenso dabei wie der schon mehrfach u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestrafte Bonner FAP-Aktivist Norbert Weidner. Der schickte gar eine Ansichtskarte an die Bonner Polizei mit Grüßen aus der „nun fast ausländerfreien Stadt Rostock“. Die Stimmung sei „geil, und wir lernen viel, z. B. was man mit Kanaken und Zecken so alles machen“ könne. FAP-Funktionäre wie der Göttinger Torsten Heise mußten sich wegen Übergriffen auf Asylbewerber, der niedersächsische FAP-Chef Karl Polacek wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Vorher waren bereits FAP- Aktivisten wegen Ermordung eines Abtrünnigen verurteilt worden. Solche Militanz ist Programm.

In dem im Januar 1991 in Berlin verabschiedeten Programm „Unser Weg in das neue Jahrtausend“ versteht sich die FAP als „radikal, kämpferisch und konsequent“ und propagiert einen „völkischen Sozialismus“. In ihren Flugblättern und der Parteipostille Neue Nation hetzt sie gegen die „Vernegerung Deutschlands“ und wirbt für sich als „die sozialistische und nationale Alternative gegen Überfremdung und Ausbeutung, für Volksgemeinschaft und Leistung“. Die Partei mit ihrer Bundesgeschäftsstelle im schleswig-holsteinischen Halstenbek klinkte sich in das bundesweite Netz der „Anti-Antifa“- Aktivitäten mit ein, um den „linken Straßenterror“ zu bekämpfen. „Gerade in der heutigen Zeit, wo der linke Zeitgeist in der BRD abstirbt und ein frischer nationaler Wind fegt, müssen wir uns unserer praktischen Möglichkeiten bewußt werden“, so Duisburger FAP-Aktivisten in ihrer Postille Sturm.

Nach den Verboten der aus unzufriedenen FAP-Anhängern gegründeten und in Kühnens Kaderorganisation „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ eingebundenen „Deutschen Alternative“ und „Nationalen Offensive“ sowie der „Nationalistischen Front“ Ende 92 frohlockte FAP-Chef Busse, die FAP sei nun „die einzige rechtsradikale Partei, die auf Bundesebene tätig ist“. Auf die Erklärung von NRW-Innenminister Schnoor vom 3. Dezember letzten Jahres, wonach er das vom Verfassungsschutz gesammelte Material über die seiner Meinung nach etwa 400 Mitglieder umfassende FAP als „für ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht für ausreichend“ erachte, reagierte Busse sofort. Am 2. Januar 1993 beschloß der erweiterte Parteivorstand in Mainz eine Erklärung, wonach die FAP „kein Freizeitverein, sondern eine Partei, die an der politischen Willensbildung des Volkes teilhaben will“, sei. Sie wolle „keine Restaurierung des 3. Reiches“, sondern bekenne sich zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung und lehne „jede Form der Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele ab“.

Alles Makulatur. Kurz zuvor traf sich Busse mit führenden militanten Neonazis bei der „Wintersonnwendfeier“ auf dem Anwesen von Curt und Ursula Müller in Mainz-Gonsenheim. Nur 1 Woche nach der Erklärung waren FAP- Aktivisten bei einem Überfall auf eine antifaschistische Mahnwache in Frankfurt mit dabei. Daß Busses Strategie, die verbotenen Organisationen zu beerben, ein Stück weit aufgegangen war, bewies am 14.8. der mit FAP-Fahnen bestückte Zug von etwa 500 Neonazis durch Fulda zum Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß.