■ Ökolumne
: Die Peacemaker Von Michael Berger

Das größte Zerstörungspotential der Industriegesellschaften ist in Garagen, am Straßenrand oder im Stau stationiert. Es vernichtet ohne Feuerpause Umwelt, Kultur, Menschen. – Im Einzelnen: Das Auto produziert den Großteil der Luftschadstoffe, ist für Allergien (Stickoxide), Herz-Kreislauf- (Ozon) und Atemwegserkrankungen (Aerosole), für Krebs (Ruß) und Verblödung (Schwermetalle), für das Waldsterben (Schwefeldioxid) und für Gebäudeschäden (dito) verantwortlich. Nach einer jüngst vom Stern in Auftrag gegebenen Öko-Bilanz entstehen bei der Produktion, während der sechsjährigen Betriebszeit und der anschließenden Entsorgung eines Wagens 2.040 Millionen Kubikmeter belastete Luft. Auch am Ozonloch pult das Auto mit, den Treibhauseffekt befördert sein CO2-Ausstoß (15 Tonnen pro Autoleben) maßgeblich. Der Autoverkehr ist der größte Lärm-Emittent, der größte Landschafts-, Ressourcen- und Energiefresser. Und schließlich hinterläßt der 1,1 Tonnen schwere Durchschnitts-Pkw 26,5 Tonnen Müll.

Das Auto (besser: der Autofahrer) hat der Welt den Krieg erklärt: Jährlich fallen 11.000 Verkehrsteilnehmer auf den asphaltierten Schlachtfeldern Deutschlands (weltweit: 250.000). 505.500 Beschädigte (weltweit: 12.000.000) bleiben auf der Strecke, die Giftgasopfer nicht mitgerechnet.

Das Kriegsspiel macht Spaß. Bürgerinnen und Bürger beschaffen immer schwereres Gerät, auf jeden Deutschen, ob Kleinkind oder Greis, kommen derzeit mehr als 40 PS. Die Entschärfung der Garagen-Patriots mittels ABS und Kat hat die Gewissen beruhigt, ist aber ohne sichtbaren Umwelt-Erfolg geblieben. Dennoch setzt die Autoindustrie, um Schadensbegrenzung bemüht, weiter auf technische Lösungen. „Prometheus“ heißt ihr Peacemaker, der wiederum das Feuer bringt: Ein System soll entwickelt werden, dessen Endziel es ist, „intelligente“ Autos, von Elektronik gesteuert, Stoßstange an Stoßstange mit großer Geschwindigkeit über ebenso „intelligente“ Straßen rasen zu lassen.

Das sind Lösungen des 20. Jahrhunderts. Die Lösung des 21. Jahrhunderts aber ist die Simulation. Bereits erfolgreich erprobt mit den Automatenkriegsspielen. Der Realitätsverlust der motorisierten Heere wäre die ideale Basis für den Virtual-Reality-Verkehr. Einen Anfang hat die Industrie in ihrem Prometheus- Projekt bereits vollbracht: Das Problem, daß durch das ruhige Fahrverhalten der großkalibrigen Limousinen die Fahrer ihre Geschwindigkeit nicht mehr beurteilen können, wurde durch Vibratoren unter den Sitzen gelöst, die mit steigendem Tempo stärker rütteln.

Der Verkehrskritiker Karl Otto Schallaböck hat beobachtet: „Das Autofahren wird zunehmend in künstliche, reizarme Umgebungen Foto-Nr.16

verlegt.“ Warum also nicht gleich in die Dunkelkammer, vor den Bildschirm mit den Autofahrern? Denn niemand kannFoto: Achim Duwentäster

ernsthaft be-

haupten, beim Autofahren gehe es um den Transport von A nach B. Diese Leistung erbringen andere Verkehrs-Sets bekanntlich wesentlich effektiver.

Laut Schallaböck sind die Autofahrer auch durch ihre Wahrnehmung der Außenwelt bestens für die Simulation konditioniert: „Der Blick aus dem Auto heraus läßt uns die Welt im viereckigen Rahmen wahrnehmen; man nennt das Windschutzscheibe, das Design ist jedoch universell. Wir kennen es vom Fernsehen und vom Monitor.“ Das ergänzt sich prächtig mit der Tendenz, daß künftig immer mehr Menschen ihre Arbeit am heimischen Computer erledigen werden. Der Weg zum Arbeitsplatz wird entfallen und damit auch ein Großteil der heutigen Autofahrten. Die Fahrt am Bildschirm könnte die Entzugserscheinungen – innere Unruhe, Aggression gegenüber Familienmitgliedern, Rasenmähen – lindern, Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer ist unnötig, wir bestimmen den Straßenzustand selbst.

Auch für die Einsamkeit am Simulator hat uns die Straße bestens vorbereitet – nur die Kriegsberichterstattung des Verkehrsfunks verbindet uns noch mit unseren Mitspielern. Die Herren Horkheimer und Adorno haben schon vor 50 Jahren festgestellt: „Die Kommunikation besorgt die Angleichung der Menschen durch ihre Vereinzelung“. Friede den Straßen.

Der Umweltjournalist M. Berger ist verantwortlicher Redakteur für die deutsche Ausgabe des „World-Watch-Magazin“.