Die wilden Tänze der Roma

■ Das rumänische Ensemble Taraf de Haidouks im Schlachthof

Beim Lied von seiner ersten großen Liebe wurde der 74jährige Geiger von den anderen älteren Herren des Roma-Ensembles „Taraf de Haidouks“ unterstützt: Jeder hatte eine Strophe, eine Liedzeile oder einen melancholischen Kommentar auf der Geige beizusteuern — diese Liebe muß eine große Sensation in dem kleinen Dorf der Walachei gewesen sein. Die Leidenschaft blieb in der Musik lebendig, genauso wie Wut und Trauer in den klagenden Balladen über Kriege mit den Türken und Bojaren. Diese Gesänge, meist auf der Geige begleitet und eher ruhig von Zimbeln, Akkordeon und Kontrabass unterstützt, wurden von den älteren Mitgliedern des Ensembles gespielt. Ihre archaische Tiefe und Emotionalität wurde auch dem deutschen Publikum deutlich, obwohl die Texte hier offensichtlich ebenso wichtig waren wie die Musik.

Die 14 Mitglieder des Ensembles spielten in wechselnden Formationen. Daß sie drei Generationen angehörten, wurde an ihrer Musik schnell deutlich. Während die älteren Herren in ihren Liedern und Balladen die kollektiven Erinnerungen wachhielten, spielten die Jüngeren als technisch brillante Instrumentalisten wilde Tänze. Als „Dracula der Geige“ oder „verrücktester Flötist“ kündigte der Ansager diese Virtuosen an. Sie interpretierten die meist uralten Stücke, die sie in ihrer Heimat bei Festen spielen, in so temperamentvoll mitreißenden Improvisationen, daß auch die letzten Vorurteile zur „Zigeunermusik“ schnell zu den Ohren herausgespielt wurden.

Zum Schluß des Konzertes spielten alle 14 Musiker einige Stücke gemeinsam. Diese irrsinnig schnellen Tänze in einem fulminanten und ganz eigenen Big Band Sound, bei dem fünf Geigen, vier Hackbretter und drei Akkordeons auch bei den kompliziertesten Rhythmuswechseln mit fast unheimlicher Präzision unisono spielten, waren der abschließende Höhepunkt des fast drei Stunden langen Konzerts. Mit der Roots Night haben die Veranstalter wieder eine Entdeckung präsentiert. Willy Taub