Prediger der Hoffnung

Robert Jungk in der Urania: Taten gegen den drohenden Kollaps des Planeten sind notwendig / Noch ist die Menschheit nicht verloren  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin. Der Mann ist klein und das Podium groß. Sein brauner, unscheinbarer Anzug korrespondiert an diesem Abend so gar nicht mit der schillernden, hellen Message: Mister Hoffnung ist in Berlin. Hoffnung auf das neue, vernetzte Denken und die vielen kleinen Projekte predigt er. Der Wahl- Salzburger Robert Jungk spricht vor 400 Menschen mit fast beschwörender Stimme im großen Saal der Urania. Mit einer Emphase, die sonst nur Priestern oder Revolutionären eigen ist, verkündet er: „Man muß weiterarbeiten, auch wenn man keine Garantie für Erfolg hat.“ Ein Prediger der Hoffnung mitten im wüsten Berlin, der Stadt, in der Jungk 1913 geboren wurde.

Des Redners Thema ist schon ein altes für ihn. Doch der fast achtzigjährige Zukunftsforscher, Journalist und politische Prediger sucht nach immer neuen Gründen, die Hoffnung nicht fahrenzulassen, nach den Signalen für eine ökologische Revolution, der dritten Menschheitsgeschichte nach der agrarischen und der wissenschaftlich-technischen.

Der Publizist Jungk ist ein zorniger alter Mann geblieben. Vor den Atomanlagen von Hanau hat er schon 1986 deren Stillegung gefordert, von den Herrschenden als „österreichischer Ayatollah“ beschimpft. Heute – die Herrschenden haben die Anlagen inzwischen teilweise stillgelegt – empfiehlt er, die verantwortlichen Industriellen nicht entkommen zu lassen: „Man darf auch die Leute von Siemens nicht einfach wegschicken.“ Schließlich könnten sie dem Dreck, den sie machen, in der Risikogesellschaft ohnehin nicht entkommen: Ihnen Druck machen und dann versuchen, sie zu unterwandern, verlangt Jungk. Und er setzt dabei auf die Jugend: Welcher Manager lasse sich schon gern permanent von seinen Kindern fragen, in was für einem (Schweine-)Betrieb er eigentlich arbeite. Schließlich habe kürzlich sogar ein Hamburger Senator das Schleifen der lebensfeindlichen Hochhausburgen der Hansestadt verlangt.

Die Augen fest im imaginären Raum, präsentiert Jungk die Bausteine seiner Hoffnung. Erstens, so der ehemalige Honorarprofessor der Technischen Universität, erstens stelle er ein Umdenken bei den Wissenschaftlern fest. Das Querschnittsdenken, quer zu den etablierten Fachrichtungen und ihren Fachidiotien nehme zu. Zweitens greife auch die Erkenntnis langsam Raum, daß die Menschen so mit sich und der Natur nicht umgehen können. Die wissenschaftlich-technische Revolution habe den Menschen zwar immer mehr Güter gebracht, sie habe nicht gleichzeitig nur Ängste und Sorgen über die Zukunft mit sich gebracht – das sei aber keine Verbesserung. Viele Menschen hätten das begriffen: In 25 Ländern gebe es inzwischen Zukunftswerkstätten, die dezentral nach neuen Wegen suchten. Aber sie brauchten permanente Häuser. Wie früher in den Kirchen müsse es „einen Platz in jeder Stadt geben, wo die Menschen ständig hinkommen und miteinander reden können“. Die ökologische Wirtschaft, die zudem neu etabliert werden müsse, brauche erst einmal Subventionen – „genau wie die Kultur heute subventioniert wird“.

Die Verbindung von früher und heute ist auch Jungks zentrale Hoffnung für die Lösung der Probleme der Dritten Welt. Wenn die Menschen dort weiter versuchen, uns nachzuahmen, statt „ihre wichtigen Traditionen und Eigenständigkeiten mit dem Neuen zusammenzubringen“, sieht sogar Jungk schwarz. In der krassen Minderheitenrolle, die der reiche Norden gegenüber dem armen Süden einnehme, helfe alles Tun im Norden allein gar nichts. Doch Aufgeben kommt für ihn nicht in Frage: „Resignation ist tödlich auf die Dauer.“ Er selbst aber hat sich eines vorgenommen, „auch wenn es schon etwas spät ist“: sich vom 80. Lebensjahr an nicht mehr hetzen zu lassen.