Die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit präsentierte gestern ihre Erfolgsbilanz im Kampf gegen illegale Beschäftigung und „Leistungsmißbrauch“. Mit einer Informa- tionskampagne sollen potentielle „Sozialbetrüger“ eingeschüchtert werden.

Kein Pardon für reuevolle Sünder

Das Bild, ein Schwarzweiß- Negativ, zeigt den Kopf einer jungen Frau, die sich halb zur Seite dreht und schuldbewußt den Blick auf den Boden richtet. „Als wir sie erwischten, kam jede Reue zu spät“, beginnt der Text, der einem schlechten Kriminalroman entstammen könnte. Über dem Bild prangt in einem roten Balken die Headline: „Sie verdiente sich ganz nebenbei eine saftige Strafe.“ Im Text eingebaut, der Kasten, der zur Abschreckung dienen soll: „Leistungsmißbrauch – Sie werden wünschen, Sie hätten es nie getan.“ Und dann schließlich die Message: „Illegal ist unsozial“.

Das Motiv ist nur eines von zwölf. Gezeigt werden Menschen, die sich mal verzweifelt die Haare raufen, dann mit Aktenmappen selbst zu kasteien scheinen, aber immer vor Schuldbewußtsein nahezu im Boden versinken. Sechs ArbeitnehmerInnen und sechs ArbeitgeberInnen werden so stellvertretend mit Slogans wie „Heute beschäftigt er nur noch einen. Den Staatsanwalt“, „Wer alle bestiehlt, dem bleibt nichts erspart“ oder „80.000 eingesackt, 18 Monate eingelocht“ an den Pranger gestellt, um den „Sozialbetrug“ gesellschaftlich zu ächten.

Vier Millionen Mark haben sich die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA) und das Bundesarbeitsministerium die neue Informationskampagne gegen Leistungsmißbrauch und illegale Beschäftigung kosten lassen. Plakate auf Polizeidienststellen, Baustellen und Arbeitsämtern sowie Anzeigenserien in Boulevard- und Fernsehzeitungen (für den Arbeitnehmer) und in renommierten Wirtschaftszeitungen (für den Arbeitgeber) sollen das Bewußtsein der Bevölkerung schärfen und das Thema „Leistungsmißbrauch“ auf der Tagesordnung halten.

Schon vor seinem Amtsantritt hatte BA-Chef Bernhard Jagoda seine Loyalität der Bundesregierung gegenüber unter Beweis gestellt und den von Bonn geforderten Kampf gegen den Leistungsmißbrauch eine „unglaubliche Herausforderung“ genannt. Damals sprach er sich noch vehement gegen eine verschärfte Meldepflicht für Arbeitslose aus. Dadurch entstehende Schlangen vor den Arbeitsämtern würden einen „idealen Ansatzpunkt für die Agitation rechtsextremistischer Parteien“ darstellen. Acht Wochen später ist davon keine Rede mehr. Meldepflicht für Arbeitslose aus „auffällig gewordenen Branchen“ wie Gastronomie, Bau oder Gebäudereinigung, Datenabgleich und verstärkte Razzien sollen nun „unnachsichtig Sozialbetrüger“ entlarven.

Eilfertig legte Jagoda jetzt der Presse die Erfolgsbilanz seiner Behörde vor. Demnach hat die BA im letzten Jahr in 433.600 Fällen wegen illegaler Beschäftigung und Leistungsmißbrauch Bußgeld- oder Strafverfahren eingeleitet, davon 82.000 in den neuen Bundesländern. Das Ergebnis: 38.000 Strafanzeigen und 215.500 Verwarnungen und Geldbußen mit einem Gesamtvolumen von knapp 43 Millionen Mark. Die BA-Außendienstmitarbeiter haben in diesem Bereich im letzten Jahr in über 46.000 Betrieben 107.000 Personen sowie rund 940.000 Lohnkonten überprüft. Allein wegen des Verdachts des Leistungsmißbrauchs wurden im alten Bundesgebiet 240.000 Verfahren eingeleitet, hinzu kommen 74.000 Fälle im Osten. Neben den 12 Millionen Mark Geldbußen und Verwarnungsgeldern fließen knapp 135 Millionen Mark überbezahlte Beträge zurück in die Kassen der BA sowie 67 Millionen Mark in die Kassen der Kranken- und Rentenversicherungsträger.

Schwer tut sich die BA bei der Aufdeckung illegaler Beschäftigung, die oft mit „ausbeuterischen Arbeitsbedingungen“ wie Stundenlöhnen zwischen fünf und zehn Mark einhergehe. 45.000 Bußgeld- und Strafverfahren wegen illegaler Ausländerbeschäftigung wurden 1992 im Westen eingeleitet, 1.400 im Osten. Dazu kommen 5.000 Fälle von illegalen Arbeitnehmerüberlassungen.

Jagoda zeigte sich überzeugt davon, daß steigende Fallzahlen mit einer sinkenden Dunkelziffer einhergingen. Diese Dunkelziffer zu konkretisieren weigerte er sich ebenso, wie die Kosten für den gigantischen Überwachungsapparat und -aufwand zu beziffern. Lediglich die Aussage, „daß weit mehr hereinkomt, als es kostet“, war den Experten der BA zu entlocken. Insgesamt sind derzeit etwa 1.250 Beschäftigte der Arbeitsämter ausschließlich mit der Aufdeckung und Ahndung des Mißbrauchs befaßt. Dazu kommen 800 Beschäftigte aus den Hauptzollämtern. Ein Gesetzentwurf zur Ausweitung ihrer Kompetenzen liegt bereits vor. Zudem ist es der BA jetzt nach der Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes auch erlaubt, ohne konkreten Anfangsverdacht Außenprüfungen in Betrieben vorzunehmen, die ausländische Arbeitnehmer beschäftigen.

Zusätzlich hat die BA die Arbeitsämter angehalten zu prüfen, ob arbeitslose Leistungsempfänger ständig verfügbar sind; denn auch die Verhängung von Sperrzeiten entlastet die Kassen der Bundesanstalt. 250.000mal wurden im letzten Jahr Arbeitslose mit einer Sperre von zwölf Wochen belegt, weil sie ihre Stelle selbst gekündigt oder ihre Kündigung „grob fahrlässig herbeigeführt“ haben. Auch dies soll noch einmal verschärft werden. In Zukunft soll sich in diesen Fällen die Anspruchsdauer auf Leistungsbezug automatisch um mindestens ein Viertel der Gesamtzeit verringern. „Wer also kündigt, sollte sich dies gut überlegen“, mahnte Jagoda. Bernd Siegler, Nürnberg