Kein Nutzen: Geheim!

■ Wasserweg nach Berlin für 4 Milliarden

Berlin (taz) – Ein bis zwei Schiffe mit Europamaßen sollen jeden Tag zwischen Berlin und Hannover unterwegs sein. Dafür will Verkehrsminister Günther Krause vier Milliarden Mark ausgeben und eine noch weitgehend intakte Flußlandschaft zerstören. „Wir haben nichts gegen Schiffsverkehr, aber die Schiffsformen und Antriebe sollten den vorhandenen Gewässern angemessen sein“, meint Martina Schäfer vom Aktionsbündnis gegen den Havelausbau gestern. Außerdem sind die Wasserstraßen in Brandenburg nach Aussagen des Wirtschaftsministeriums in Potsdam nur zu 20 bis 30 Prozent ausgelastet, so daß auch ohne Ausbau noch mehr als dreimal so viel Güter auf dem Wasser transportiert werden könnten.

Dennoch wird das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nummer 17 im Bundesverkehrswegeplan als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft – angeblich ist der Nutzen für die meisten Streckenabschnitte sechsmal so groß wie die Kosten. Das aber bezweifeln nicht nur UmweltschützerInnen; auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Schätzungen über die Verkehrsmengen für überhöht, die Kostenannahmen hingegen für zu niedrig.

Das Gutachten, das den hohen Kosten-Nutzen-Faktor belegen soll, wurde im März 1992 fertiggestellt. Aber die Berliner Wasser- und Schiffahrtsdirektion, die dem Krauseministerium direkt unterstellt ist, rückte die Studie weder an Umweltverbände noch an die Landesministerien heraus. Erst nach Protesten veröffentlichte sie eine kurze Zusammenfassung. Darin heißt es, daß nur Umweltaspekte, nicht aber die wirtschaftliche Nützlichkeit debattierbar seien.

Die selbstherrliche Institution, der nicht nur das Planfeststellungsverfahren obliegt, sondern die später auch für den Bau verantwortlich sein soll, hat jeden Streckenabschnitt einzeln bewertet. „Dabei fordert nicht nur die EG aus gutem Grund, daß Großprojekte als ganze zu betrachten sind und nicht als Addition angeblich unzusammenhängender Abschnitte“, so Gundula Oertel vom BUND. Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion aber hat sich für diese Berechnung entschieden, weil sie so hydrologische Probleme nicht global betrachten muß. Außerdem hofft sie, mit dem Ausbau angeblich besonders nützlicher Streckenabschnitte Sachzwänge für die weniger hoch bewerteten Teile zu bekommen. Annette Jensen