■ Das Portrait
: Ludwig Baumann

„Wir sind eine Anklage gegen alle, die im Zweiten Weltkrieg mitgemacht haben.“ Ludwig Baumann aus Bremen ist 71 Jahre alt. In den Augen vieler Bürger, Politiker und Behörden gilt er noch immer als „Feigling“, sein Mut, sich der Hitlerschen Kriegsmaschinerie zu verweigern, als Verrat am deutschen Volk. Ludwig Baumann ist Deserteur – und darauf ist er stolz.

1940 wurde der Maurerlehrling zur Kriegsmarine eingezogen, 1942 wollte er mit „all dem Tod und der Gewalt nichts mehr zu tun“ haben und desertierte im besetzten Frankreich. Er wurde verhaftet und zum Tode verurteilt. Sieben Wochen später wurde das Urteil in zwölf Jahre Zuchthaus umgewandelt. Erst bei seinem Abtransport in das KZ Esterwegen, vier Monate später, erfuhr Baumann davon. „Jeden Morgen früh, wenn die Wachen wechselten, dachte ich: Jetzt holen sie dich raus.“ Sein Aufenthalt in der Todeszelle bereitet ihm heute noch manchen Alptraum.

Über Esterwegen und andere Lager kam Baumann zum Strafbataillon 500. Dort wurden die „begnadigten“ Deserteure an der Ostfront verheizt wurde. Baumann überlebte den Krieg – als gebrochener Mann. Er begann zu trinken. Er heiratete, sechs ungewollte Kinder kamen zur Welt. Seine Frau starb 1966 bei der Geburt des sechsten Kindes. Ein Einschnitt in Baumanns Leben.

Er hörte auf zu trinken, sorgte für seine Kinder und begann um seine Rehabilitierung zu kämpfen. Verbittert mußte er miterleben, wie in nahezu jedem kleinen Dorf Veteranenvereine die Soldaten feierlich am Kriegerdenkmal hochleben ließen, während er noch immer als Verräter beschimpft wurde. Noch hier Foto Nr. 18

Foto: Sofa

heute sind die etwa 30.000 von der Militärjustiz verhängten Todesurteile nicht einmal als Unrechtsurteile anerkannt. 15.000 dieser Urteile wurden vollstreckt.

Baumann gründete in Bremen die „Bundesvereinigung der Opfer der Militärjustiz“. Keinen Pfennig haben die Deserteure bislang als Entschädigung erhalten. Jetzt hat Baumann Klage eingereicht und hofft auf den Bundestagsausschuß „Wiedergutmachung des NS-Unrechts“. Für Baumann steht dabei viel auf dem Spiel: „Wenn diese Terrorurteile nicht für Unrecht erklärt werden, dann bleibt diese Wunde in uns und auch vor der deutschen Geschichte offen.“ Bernd Siegler