Karnevalisten und Kumpel – eine Front

■ Hagens Stahlwerker wollen Karnevalsumzüge zum Protest nutzen/ Weitere Aktionen sind angekündigt/ Regierung weist jede Mitschuld zurück/ Stahlindustrieller glaubt an „Selbstheilungskräfte“ der Branche

Siegen/Hagen (AP) – Die von Stillegungsplänen der Krupp Stahl AG aufgebrachten Arbeiter in Hagen wollen nach Darstellung der Industriegewerkschaft Metall selbst den Rosenmontagszug nutzen, um gegen den drohenden Verlust von rund 1.000 Arbeitsplätzen zu demonstrieren. Volkmar Flöß von der IG Metall sagte am Freitag, die Karnevalisten in der Stadt hätten sich mit den Kruppianern solidarisiert. „Wir müssen jede Möglichkeit nutzen, um auf unsere Probleme aufmerksam zu machen“, rechtfertigte Flöß den närrischen Einsatz der Stahlarbeiter.

Die IG Metall wollte am gestrigen Nachmittag den 24stündigen Streik im Krupp-Profilstahlwerk beenden. Der zweite Bevollmächtigte der Siegener IG Metall, Detlef Wetzel, kündigte für die kommende Woche weitere große Proteste und Demonstrationen der Belegschaft an. Die Beschäftigten des Hagener Krupp-Profilstahlwerkes kündigten für den 17.März eine nächste Großaktion an.

SPD-Bundesgeschäftsführer Blessing forderte die Bundesregierung erneut zu mehr Engagement in der Stahlkrise auf. Er habe den Eindruck, „die Regierung hat noch nicht geschnallt, um was es jetzt geht“. Es gehe nicht mehr um einzelne Stahlstandorte, es gehe um den Standort Deutschland, „um die Schicksale von ganzen Regionen“.

„In der Stahlindustrie liegen die Fehler nicht bei der Politik“, meinte dagegen Kanzleramtsminister Bohl (CDU). Den Stahlkonzernen warf er vor, nach dem Boom Ende der achtziger Jahre keine Vorsorge für schlechtere Zeiten getroffen zu haben.

Die deutsche Stahlindustrie ist weiterhin gegen die Ausrufung der „manifesten Krise“ durch die EG- Kommission. Produktionsquoten und behördlich festgesetzte Mindestpreise führten nicht zu einer nachhaltigen Beseitigung von Überkapazitäten, sondern verteilten nur den Mangel, wie frühere Erfahrungen gezeigt hätten, erklärte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Ruprecht Vondran. Die „Selbstheilungskräfte“ der Branche seien gefordert, um die „schlimmste Krise der Nachkriegszeit“ in der Stahlindustrie zu lösen, meint der CDU- Bundestagsabgeordnete. Eine „Nationale Stahlkonferenz“, die sicher ein Medienereignis wäre, könne dazu wenig beitragen. Vondran fordert ein „Konzept der kollektiven Vernunft“ mit dem „Doppelziel“, den Erlösverfall zu stoppen und die Marktstrukturen zu bereinigen. Die Bundesregierung dürfe bei der Genehmigung von Subventionen für Wettbewerber in anderen EG-Ländern nicht mitwirken, wenn sie eine private Stahlindustrie in Deutschland erhalten wolle.