Bunt bis banal

■ Die neuen Wochenblätter und der neue Bundespräsident

Berlin (taz) – Eins scheinen alle drei neuen Wochenmagazine- und/ oder Zeitschriften gemein zu haben: ihr Meinungsforschungsinstitut. Anders ist es kaum zu erklären, warum sowohl erst Focus den Spiegel mit der umwerfenden Enthüllung, Genscher wolle Bundespräsident werden, glaubte schlagen zu können, wie auch jetzt Die Woche und ihre Konkurrenz, die Wochenpost, ihren Start in die neue bunte Zeitungswelt ausgerechnet mit einem Wahlvorschlag für den Bundespräsidenten garnieren. Das neue Deutschland steht vor der größten Krise seiner Geschichte, und was bieten uns die vermeintlichen Vordenker der „Info-Elite“: Namen für die Nachfolge Richard von Weizsäckers. Dabei überrascht nicht, daß Focus mit dem am wenigsten originellen Vorschlag, die Wochenpost mit einer Kandidatin aus dem Osten – Regine Hildebrandt – kommt und Die Woche sich für den Mann jenseits der Parteiverdrossenheit – Ignatz Bubis – entscheidet, entspricht genau dem Image der jeweiligen Blätter. Unstrittig ist auch, daß sowohl Regine Hildebrandt wie Ignatz Bubis interessante Persönlichkeiten der Republik sind. Bemerkenswert ist etwas anderes: Der Kampf um die Nachfolge Weizsäckers am Kiosk offenbart einen eklatanten Mangel an politischer Phantasie derjenigen, die zumindest vorgeben, sie wollten die Meinungsführerschaft in der Republik übernehmen. Angesichts der Krise soll die Lösung von oben kommen. Haben wir den richtigen Präsidenten, wird es schon nicht so schlimm werden – eine banale Message.

Manfred Bissinger, Chefredakteur der Woche, hatte in der Konzeptionsphase seines Blattes immer betont, in einer Zeit der „Reizüberflutung“ könne man mit Nachrichten niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken – allein die Reflexion bringe Orientierung. Schon in seiner ersten Nummer zeigt er nun, daß er seinem eigenen Credo nicht glaubt. Wie er es weiland beim Stern gelernt hat, soll es auch bei der Woche die Enthüllung bringen. Das Geheimprotokoll zwischen Kohl und Gorbatschow exklusiv bei Bissinger. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die große Enthüllung allerdings als simpler Vorabdruck eines Rowohlt-Buches. Das wäre zu verschmerzen, wenn wirklich Sensationelles drinstünde. Doch was im Zusammenhang eines Buches noch einen neuen Eindruck vermitteln könnte, wirkt herausgerissen aus dem Zusammenhang ziemlich dürftig. Da waren die „Langemann-Protokolle“, mit denen Manfres Bissinger einst seinen Einstand als Chefredakteur von Konkret gab, doch von ganz anderer Brisanz.

Der Rest der Woche sind big names. Egon Bahr zu Gorbatschow, Markus Michel über Heiner Müller/Christa Wolf und zur Krönung Dagobert „mobbing“ Lindlau, der zum wiederholten Mal Reklame für den Lieblingsvorschlag des BKA-Chefs machen darf: Die polizeiliche Disposition der Privatwohnung wird zum „Lauschangriff auf das Verbrechen“.

Trotzdem: Es könnte durchaus sein, daß die gefällige Machart (Motto: Alles so schön bunt hier oder der Graphiker avanciert zum heimlichen Chefredakteur) sich am Markt durchsetzt. Ob das auch für die renovierte Wochenpost gilt, ist schon eher fraglich. Gruner und Jahr mutet dem bislang fast ausnahmslos in der Ex-DDR verkauften Blatt eine Offensive nach Westen zu, die in einem verhängnisvollen Spagat enden muß. Vom neuen Outfit und einer Themensetzung, die auch für Westler interessant sein soll, werden viele Ostler abgeschreckt. Das ist bedauerlich, denn während die Woche durch professionelle Glätte glänzt, spürt man bei der Wochenpost immer noch ein publizistisches Engagement. Jürgen Gottschlich