Gespräche nur bei Rückkehr der Deportierten

■ Große Mehrheit der Palästinenser in den besetzten Gebieten für Junktim

Tel Aviv (taz) – Die Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten sind fast einhellig der Meinung, daß die Fortsetzung des Friedensprozesses im Nahen Osten nun davon abhängt, ob ihre 415 deportierten Landsleute zurückkehren können. Und dies ungeachtet der Tatsache, daß einflußreiche Kreise in der Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in Tunis dazu neigen, die Fortsetzung der Verhandlungen von der Deportationsaffäre zu trennen. Die Palästinenser haben ihre Beteiligung am Friedensprozeß zwar noch nicht aufgekündigt, wollen aber nur dann an weiteren Verhandlungen teilnehmen, wenn den deportierten Hamas-Führern vorher die Heimkehr ermöglicht wird. Heute wird ein weiterer UNO-Gesandter in Israel eintreffen, um einen Kompromiß auszuloten. Im Flugblatt Nr. 62 der Intifada-Führung, das zu Beginn dieser Woche verteilt wurde, heißt es, daß sich die Regierung von Ministerpräsident Jitzhak Rabin als „faschistisch und rassistisch“ erwiesen habe und nur die Sprache der Gewalt kenne. Gleichzeitig rufen Flugblätter der Fatah, der größten Palästinenserorganisation innerhalb der PLO, zum bewaffneten Widerstand auf.

In einer Reaktion auf Rabins Angebot, das für zwei Jahre verhängte Exil der Deportierten selektiv abzukürzen, wenn sich die Palästinenser verpflichten, die Intifada einzustellen, meinte der Ostjerusalemer Palästinenserführer Feisal Husseini, Rabin lebe sichtlich auf einem anderen Planeten. Mitglieder der palästinensischen Verhandlungsdelegation erklärten in mehreren Gesprächen und bei öffentlichen Auftritten, daß sie nicht beabsichtigen, bei der nächsten Verhandlungsrunde zu erscheinen, wenn die Deportierten bis dahin nicht zu ihren Familien zurückgekehrt sind. Nach Ansicht der palästinensischen UnterhändlerInnen bestehen rund 90 Prozent der palästinensischen Bevölkerung auf dieser Bedingung für die Wiederaufnahme der Gespräche mit Israel. Beachtenswert ist dabei die Tatsache, daß dieser hohe Prozentsatz dem der ursprünglichen jüdisch-israelischen Befürworter von Rabins Deportationsbeschlüssen gleichkommt.

In den besetzten Gebieten gibt es auch weiterhin deutliche Zeichen einer zumindest zeitweiligen Annäherung zwischen Hamas- und PLO-Anhängern – eine Entwicklung, die den israelischen Besatzungsbehörden ein Dorn im Auge ist. Hierin scheinen sich die Palästinenser mit ihrer Führung in Tunis weitgehend einig zu sein: bei einem Treffen von Vertretern beider Organisationen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum wurde eine „Grundsatzerklärung“ über einen Beitritt von Hamas zur PLO verabschiedet.

Für viele Palästinenser in den besetzten Gebieten und in Israel selbst hat die Massenausweisung erneut gezeigt, daß Israel nicht bereit ist, die Anwesenheit des palästinensischen Volkes in seinem Land und eine friedliche Koexistenz wirklich zu akzeptieren. Die alten Vertreibungstraumata – vor allem 1948 und 1967 – sind wiederbelebt worden, und die akuten Ängste erscheinen sehr real. Und wie damals ist es auch heute gerade eine Regierung unter Führung der Arbeitspartei, unter der solche Befürchtungen plötzlich Realität zu werden drohen. Das Aufkommen von einem Minimum an gegenseitigem Vertrauen im Rahmen des Friedensprozesses ist wieder total zusammengebrochen.

„Den Palästinensern ist jetzt auch deutlicher bewußt geworden, daß der sogenannte Friedensprozeß bisher eigentlich ein Versuch der israelischen Regierung war, eine lokale Selbstverwaltungs-Lösung im Besatzungsrahmen zu erzwingen, die den Palästinensern so gut wie nichts bringt“, meinte dazu der Herausgeber einer Ostjerusalemer Zeitung gegenüber der taz. „Vielen Palästinensern erscheinen die bisherige Verhandlungsgrundlage und die aufgezwungenen ungerechten Bedingungen als nicht weiter akzeptabel. Die Frage ist, ob die neue Clinton-Regierung in Washington bereit ist, die Konsequenzen aus der gegenwärtig entstandenen Krise zu ziehen.“ Amos Wollin