■ Untergrund – ideales Terrain extremistischer Gruppen
: Das Beispiel Indien

Die fünf Organisationen, die am Donnerstag von der indischen Regierung mit einem Verbot belegt wurden, tragen alle das Stigma des „Communialism“. Im anglo-indischen Sprachgebrauch meint dies eine politische Haltung, die von einer bestimmten religiösen Auffassung geprägt ist und andere religiöse Anschauungen bekämpft. Der Begriff bildet mit dem Wort „Säkularismus“ ein Gegensatzpaar: dieser lehnt Religion als politisches Mobilisierungsinstrument ab. Das Verbot ist erste Reaktion auf den Schock der Zerstörung der muslimischen Moschee von Ayodhya. Drei der nun verfemten Gruppierungen waren maßgeblich an der Aufhetzung der vielen Tausenden von Hindu-„Pilgern“ beteiligt, die am Sonntag die Gebetsstätte dem Erdboden gleichmachten.

Die Maßnahme trägt also stark politische Züge, und dies wird dadurch unterstrichen, daß neben den drei hinduistischen auch zwei muslimische Organisationen verboten wurden. Dazu gehört jedoch keine der politischen Parteien, wie etwa die „shiv sena“, eine regionale Partei, die noch weit rabiater ist als alle nun verbotenen. Es hat bereits eine politische Debatte darüber begonnen, ob das Verbot mehr ausrichten kann, als den Willen der Regierung zu demonstrieren, „etwas“ zu tun. Kritiker des Verbots verweisen vor allem auf die „Rashtriya Swayamsevak Sangh“ (RSS), die als ideologische Mutter der anderen bezeichnet werden kann. Sie wurde bereits zweimal verboten: das erste Mal 1948, nachdem ein (ehemaliges) Mitglied Mahatma Gandhi ermordet hatte, und dann wieder 1975, zur Zeit des von Indira Gandhi verhängten Ausnahmezustandes. Beide Male konnte die RSS die Zeit im Untergrund nutzen, um ihre Kader ideologisch und in „Verdunkelungstechniken“ zu stärken. Sie kam denn auch jedesmal, auch an Mitgliedern gestärkt, aus dem Untergrund zurück an die Oberfläche. Und sie fuhr dann auch später, als legale Organisation, fort, die Geheimhaltung als politisches Instrument einzusetzen und sich damit der offenen politischen Auseinandersetzung zu entziehen. So wurden etwa RSS-Mitglieder systematisch in Schlüsselpositionen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Medien eingeschleust, ohne daß sich diese zur RSS bekennen mußten.

Die Reaktionen führender RSS-Funktionäre sind jetzt auch mehr als bezeichnend: Sie zeigten sich vom Verbot keineswegs bestürzt, ja enthielten gar einen Ton der Befriedigung – als wäre der Untergrund das für ihre Arbeit ideale Umfeld. Bernard Imhasly, Delhi