■ Portrait
: Mouna aus Marokko

Mouna ist Studentin, 22 Jahre alt und lebt in Casablanca. Vor drei Jahren holte sie sich das Virus bei vier Bluttransfusionen, die sie wegen einer Magenoperation bekommen hatte. Das war 1989, ein Jahr bevor in Marokko begonnen wurde, die Blutkonserven systematisch auf HIV zu testen. Seitdem ist Mouna HIV-positiv, aber symptomfrei. Zuvor hatte sie nur vage in den Zeitungen von Aids gelesen. Sie erzählt, wie es ihr geht:

Aids ist keine Krankheit wie viele andere. Für viele Menschen ist Aids eine Krankheit der Schande. Ich hatte große Schwierigkeiten, meinen Eltern klarzumachen, daß ich keine sexuellen Beziehungen zu Männern hatte. Sie haben mit einer Mischung aus Vorwürfen und Mitleid auf meine Infektion reagiert. Und das war für mich das Schlimmste. Anfangs wollte ich ihnen nichts davon sagen, doch dann sind zwei anonyme Briefe in unser Haus gekommen. Es war grausam für mich, aber es war auch eine Erleichterung. Zunächst hat mich meine Familie abgewiesen, jetzt versuchen sie mit der Schande fertig zu werden. Aber noch immer haben alle Angst vor mir, Angst vor einer Annäherung oder Angst, von meinem Teller zu essen. Selbst meine Eltern haben diese Angst. Meine Schwester weigert sich, ihre Kleider von mir tragen zu lassen. Wir haben jede Intimität unserer früheren Beziehung verloren und reden kaum noch ein Wort miteinander.

Mein Studium der Volkswirtschaft habe ich zunächst abgebrochen. Ich hatte keinen Kopf mehr dafür. Heute schöpfe ich wieder Hoffnung und versuche ein ganz normales Leben zu führen. Ich will ein Diplom in Informatik machen. Ich glaube an Gott und vertraue auf die Medizin. Vielleicht wird man doch noch ein Medikament finden. Ich habe auch volles Vertrauen zu meinem Arzt. Ich mache alles genau so, wie er es sagt. Meine früheren Aufenthalte im Krankenhaus sind alle ganz gut verlaufen.

Das Schwierigste für mich ist, daß ich niemanden zum Reden habe, niemanden, dem ich vertrauen kann. Ich fühle mich einsam und isoliert. Ich erkenne die Angst in den Blicken der anderen. Und auch den Vorwurf. Zum Glück hat die Hilfsorganisation ALCS (Association de Lutte contre le Sida) mehr Zeit für uns. An manchen Tagen wünschte ich, daß die ganze Welt Aids hätte. Ich weiß, daß ich mich im Anfangsstadium dieser Krankheit befinde, aber eines Tages werde ich im letzten Stadium angekommen sein.

Ich denke nicht mehr daran zu heiraten. Kinder könnte ich sowieso nicht kriegen. Aber ich will arbeiten. Wenn man uns Infizierten die Arbeit verweigert, dann treibt man uns in die Prostitution. Manfred Kriener

(übersetzt und zusammengefaßt aus „Jeune Afrique“)