Er darf nicht

■ Klaus Kinkel talkte im Turm, Sat 1

Klaus Kinkel talkte im Turm, Sat.1, Sonntag, 22.00 Uhr

„Meinen Sie, es würde mich weniger bedrücken als irgend jemand anderen in dieser Runde“? Es, das ist der Krieg zwischen den Völkern des ehemaligen Jugoslawien, das Elend von Frauen und Kindern in Bosnien, die Todeslager und die Hilflosigkeit der Welt angesichts dieser Zustände in Europa. Bundesaußenminister Klaus Kinkel hatte in „Talk im Turm“ einen undankbaren Part. Er mußte Realpolitik vertreten, wo die übrigen Teilnehmer sich auf moralische Entrüstung beschränken konnten. Es gibt unterschiedliche Techniken unterschiedlicher Politiker, in solchen Situationen zu reagieren. Genscher beispielsweise war bekanntermaßen ein Meister im Drumherumreden, andere versuchen auf Autorität und Herrschaftswissen zu pochen, manche setzen alles daran, solche Situationen möglichst ganz zu vermeiden. Kinkel tut nichts von dem, sondern kreiert eine neue Variante: allumfassende Larmoyanz. Er findet das ja auch ganz schlimm, aber was soll er tun. Beispiel, Schutzzonen einrichten. Das sei ja wunderbar, aber er ausgerechnet könne innerhalb der EG ja nicht darauf drängen, weil er ja keine Soldaten schicken darf. Grenzkontrollen verschärfen, um das Embargo besser durchzusetzen – alles gut und schön, aber die Deutschen dürfen ja nicht mitmachen. Den Luftraum über Bosnien sichern? Da fragen doch die anderen gleich: Macht ihr mit? „Antwort – wie immer Nein.“

Dieser Außenminister kann einem wirklich leid tun. Er würde nichts lieber tun, als den Bedrängten zu helfen, doch er darf nicht. Schuld ist auch in diesem Fall das Grundgesetz der Republik, das sich offenbar langsam zum größten Hindernis der amtierenden Bundesregierung entwickelt hat. Tilman Zülch, Vorsitzender der Gesellschaft für Bedrohte Völker und in der Diskussion derjenige, der immer wieder vehement darauf verwies, daß jetzt in Bosnien konkret geholfen werden muß, war der Frust anzusehen. Ein Außenminister, der nichts bestreitet und doch nichts tut, das ist etwas Neues in der politischen Auseinandersetzung. Doch die Larmoyanz ist alles andere als Selbstzweck, denn Kinkel geht es weniger um Bosnien, als vielmehr darum, die „Fesseln für die Außenpolitik abzustreifen“. Dazu kann auch Bosnien gut sein. Jürgen Gottschlich