Sanssouci
: Vorschlag

■ Runter mit den Boxershorts

Tzimon Barto zum Beispiel. Der Mann kann die Hosen runterlassen. Noch ist er nicht der Klaviervirtuose, aber schon trägt er – laut EMI – Versace Unterhosen. Und da er mit Liszts 2. Klavierkonzert jederzeit brilliert, geht er auch hier nicht baden. Hinderlich sind dem aufstrebenden jungen Mann die edlen Teile eigentlich nie. Unser aller Andy (Warhol) bestand auf Jockey. Dem Klassiker. 1930 ließ die Firma sich ihr Modell 1007 mit dem umgekehrten Y-Schlitz patentieren. Obwohl es ja der waagerechte Schlitz ist, der für den „leichten Eingriff“ sorgen soll. Aber zurück zu Andy. Ob er die Hosen runterlassen konnte, ist nicht klar. Denn wer weiß, ob er die Jockeys trug. Er wundere sich über Leute, die keine Unterhosen kaufen, sprach er dereinst. „Ich kann es verstehen, wenn einer keine tragen will, aber keine kaufen?“

Diesen Satz konnte sich Marc & Bengels natürlich nicht entgehen lassen, auf ihrer vorgestrigen Männerunterwäsche-Modenschau im BKA. Überhaupt erstaunt es, wie viele Künstler Unterhosen tragen. Milan Kundera wurde ins Feld geführt. Mit einem kräftigen Biß ins Baumwollgewirk des einen Hosenbeins und einem heftigen Ruck am anderen entledigt sich sein Romanheld Jaromil des politisch korrekten Übels sozialistischer Textilwirtschaft. Wann rückt der Hanser Verlag mit der Presseerklärung heraus, daß Kundera in Unterhosen von Valentino schreibt? Und welche trägt eigentlich Michel Krüger?

Apropos politically correct: in unserem Vorschlag, die bunten Boxershorts klammheimlich verschwinden zu lassen (ist es doch der schlechthinigliche Irrtum zu glauben, sie zeichne den Mann von Welt aus, wie der Nachschlag zu „Männer unter Wäsche“ ein weiteres Mal bestätigt), muß ein Anschlag auf die guten Sitten festgestellt werden. Inmitten der multikulturell gemischten Modellmannschaft die Glatze als „hip“ mitmarschieren zu lassen kann nur als schlimmer Flop verbucht werden. Die Boxershorts wurden übrigens mit dem Blick auf des Adonis Slip, schneeweiß und gut gefüllt, erledigt. Überlebensgroß prangte die Pracht vor zehn Jahren am Times Square. Bekanntermaßen läßt sich Calvin Klein weiterhin einiges einfallen, um den Männern in die Wäsche zu verhelfen. Und die Konkurrenz hilft mit. Weiche, gewirkte Trikotqualität aus Baumwolle und Viskose in den klassischen Wäschefarben Schwarz und Weiß ist angesagt. Langärmlig und mit langen Hosenbeinen, der nächste Winter kommt bestimmt. Am liebsten als Body. Sieht aber besser aus, als er sich in der Praxis bewähren kann. Was, wenn es mit dem leichten Eingriff nicht getan ist? Reißverschlüsse sind schneller als Knopfleisten, aber Tatsache bleibt, das Ding muß runter, ganz und gar. Da gibt's nichts unten geknöpft, wie bei unsereinem. Zweigeteilt lebt es sich bequemer. Und dreigeteilt mit mehr Sex. Auch das Suspensorium läßt sich modisch angehen. Bei Marc & Bengels zu sehen, wenn die Radlerunterhosen fielen. Was neben Hom, Cerruti, Nikos, Kirtos fehlte und was die „aufregenden neuen Designer“ J. Crummay, London, und K.H. Wagner, Berlin, dennoch nicht ersetzten, waren Gaultier und Moschino. Trägt Frank Castorf Moschino? Oder kauft er sie wenigstens? Brigitte Werneburg