König Hassan von Marokko ließ wählen

■ Sieg für Regierungstreue bei Kommunalwahlen/ Repression in der Westsahara

Berlin (taz) – Durch überschwemmte Straßen mußten sich am Freitag zahlreiche Marokkaner zu den Wahlkabinen vorkämpfen, um bei den Kommunalwahlen ihre Stimme abzugeben. Trotz heftiger Regenfälle lag die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben bei fast 75 Prozent. König HassanII hatte die Teilnahme einen Tag vor dem Urnengang zur „nationalen Pflicht“ erklärt.

Die bereits am Samstag bekanntgegebenen offiziellen Wahlergebnisse unterscheiden sich kaum von denen vor neun Jahren. Die Regierungspartei „Versammlung der Unabhängigen“ (RNI) erreichte demnach mit 22 Prozent von den elf angetretenen Parteien das beste Ergebnis. Die mit ihr koalierende „Union der Verfassung“ kam auf 13,35 Prozent. Der Stimmenanteil der parteilosen Kandidaten fiel von 22,2 Prozent auf 13,8 Prozent. Die nationalistisch-oppositionelle Istiqlal-Partei erreichte 12,52 Prozent, und der Stimmenanteil der „Sozialistischen Union der Volkskräfte“ stieg von 3,4 auf knapp 7 Prozent.

Einige weitere Oppositionsgruppen boykottierten die Wahlen, da sie Zweifel am demokratischen Zustandekommen der Ergebnisse hatten. Vertreter der Kommunisten und der Istiqlal- Partei erklärten, das Ergebnis sei auf massiven Stimmenkauf zurückzuführen.

Wichtiger als die zukünftige Zusammensetzung der Kommunalparlamente ist für König HassanII die Tatsache, daß diese Wahlen nicht nur in Marokko, sondern auch in der seit 1975 völkerrechtswidrig besetzten Westsahara stattfanden. Eigentlich hätten die in dem rohstoffreichen Wüstenstück beheimateten Sahraouis schon Anfang des Jahres in einem UN- Referendum über die Unabhängigkeit oder den Anschluß ihres Gebietes an Marokko entscheiden sollen. Doch der Termin wurde immer wieder verschoben, da sich beide Seiten nicht einigen konnten, wer stimmberechtigt sein soll. Die Regierung in Rabat besteht darauf, daß auch Zehntausende von ihr dort angesiedelter Marokkaner an der Abstimmung beteiligt sein müssen.

Bereits am 4. September hatte HassanII im Königreich und den besetzten Gebieten ein Referendum über eine neue marokkanische Verfassung abhalten lassen. Den Wunsch des UN-Sonderbeauftragten für die Westsahara, Yakub Khan, die Abstimmung bis nach dem UN-Referendum zu vertagen, lehnte der Monarch ebenso ab wie Bitten nach einem Aufschub der Kommunalwahlen. König HassanII schwebt ein föderatives Königreich vor, in dem die Westsahara ein marokkanischer Bundesstaat unter vielen ist.

Nach Angaben der für die sahraouische Unabhängigkeit kämpfenden „Frente Polisario“ sollen marokkanische Sicherheitskräfte in Layoune, der Hauptstadt der Westsahara, am Donnerstag letzter Woche 300 Bewohner interniert haben. Die Sahraouis hätten zuvor gegen die marokkanischen Besatzer demonstriert, hieß es aus dem Polisario-Büro in Algier. Die marokkanische Führung dementierte am Samstag solche Berichte.

Bereits zwischen dem 7. und dem 9. Oktober soll es in der sahraouischen Stadt Smara zu ähnlichen Protesten gekommen sein. Nach Polisario-Angaben gingen die marokkanischen Sicherheitskräfte vor den Augen der dort stationierten MINURSO-Truppen der UNO mit äußerster Härte gegen die Demonstranten vor. Es soll viele Verletzte gegeben haben. Rund 250 Sahraouis seien verhaftet worden.

Ebenfalls nach Angaben der Polisario unterlag das südmarokkanische Dorf Assa bei Goulimine mehrere Tage einer regelrechten Belagerung durch marokkanische Truppen. In der von vielen Sahraouis bewohnten, aber außerhalb des umstrittenen Gebietes liegenden Siedlung sollen Einwohner am 24. September friedlich gegen die Okkupation der Westsahara protestiert haben. Nach Berichten der Polisario töteten marokkanische Sicherheitskräfte daraufhin zehn Personen und verletzten fast 200. Die Regierung in Rabat dementierte die Angaben. Ein Sprecher des Palastes räumte allerdings am 12. Oktober ein, in der Region habe es „einige Rangeleien“ gegeben, wie sie in Marokko „beinahe an der Tagesordnung“ seien. Thomas Dreger