Ein „moderner Treueakt“ für Hassan II.

■ In Marokko stimmten angeblich 99,96 Prozent der Bevölkerung für eine neue Verfassung/ Opposition kritisiert „volksdemokratisches“ Ergebnis/ Der König will sein Image aufpolieren

Rabat/Berlin (AFP/taz) — Ein Ergebnis wie in den Hochzeiten des real existierenden Sozialismus: nach Angaben des marokkanischen Innenministeriums haben 99,96 Prozent der Bevölkerung am Freitag einem revidierten Verfassungsentwurf zugestimmt, der mit Empfehlung von König Hassan II. vorgelegt worden war. Nur 4.844 der 11.466.314 abgegebenen Stimmen hätten „Nein“ gelautet. 97,25 Prozent der 11,8 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich den Angaben zufolge an der Volksabstimmung.

Die Oppositionsparteien, die zum Teil zur Stimmenthaltung aufgerufen hatten, nahmen das „volksdemokratische“ Ergebnis mit großer Skepsis auf. Innenminister Driss Basri wollte von Zweifeln nichts wissen: „Dies ist ein moderner Treueakt gegenüber der Hassanischen Demokratie.“ Früher kamen die Stammesführer an den Hof des Monarchen, um mit dem Treueakt ihre Ergebenheit zu bekunden.

Der von der Opposition als „unzureichend“ gewertete Entwurf war am 20. August vorgelegt worden und soll vor allem die Stellung des Ministerpräsidenten stärken. Dieser wurde bisher ebenso wie die Minister von König Hassan II. berufen und konnte von diesem auch abgesetzt werden. Künftig soll der Regierungschef die Berufung und Entlassung der Minister dem König „vorschlagen“. Andere Sondervollmachten des Königs bleiben indes unangetastet. Neu aufgenommen wurde in die Präambel außerdem ein Hinweis auf die Menschenrechte.

Die Beteiligung an dem Volksentscheid galt als Test für die in wenigen Wochen anstehenden Kommunal- und Parlamentswahlen. Außerdem wollte König Hassan II. angesichts des ebenfalls bevorstehenden Westsahara-Referendums sein Image in der internationalen Öffentlichkeit aufpolieren. Bei dieser von der UNO kontrollierten Volksabstimmung soll über die Zugehörigkeit der ehemaligen spanischen Kolonie zu Marokko oder deren Unabhängigkeit entschieden werden.

Die fünf Parteien, die gegenwärtig die Mehrheit im marokkanischen Parlament haben, hatten eine großangelegte Kampagne für die Annahme der Verfassung gestartet. Die Opposition dagegen war gespalten. Die zwei wichtigsten Oppositionsparteien, die nationalistische Istiqlal (Unabhängigkeit) sowie die linksgerichtete USPF und zwei kleine Linksformationen hatten sich gegen eine Teilnahme an dem Referendum ausgesprochen. Die kommunistische Partei des Fortschritts und des Sozialismus appellierte hingegen an ihre Anhänger, dem Entwurf zuzustimmen.

Verschiedene Oppositionsführer erklärten auf Anfragen von Journalisten, sie wollten erst Berichte ihrer Mitarbeiter aus den Regionen abwarten, bevor sie eine Einschätzung der amtlichen Wahlergebnisse abgäben. Man wolle Hinweisen auf „zahlreiche Unregelmäßigkeiten“ nachgehen. USPF-Chef Youssoufi meinte, es sei kaum erklärlich, daß aus manchen Orten eine hundertprozentige Wahlbeteiligung gemeldet wurde. „Hat es dort wirklich weder Kranke noch Urlauber, noch irgendeinen Unbeugsamen geben?“ fragte er. Ein Sprecher der Istiqlal hatte in der Wahlnacht mit einem gewissen Zweifel die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß die Wahlergebnisse „glaubwürdig sein werden“ und man nicht eine „Neuauflage gewisser früherer Wahlen“ erlebe.